Kulissen des Großpolnischen Aufstandes

Politische Aspekte des Großpolnischen Aufstandes 1918-1919

Michał Polak

Bei der Bewertung der Faktoren, die zum Erfolg des großpolnischen Aufstandes beigetragen haben, akzentuieren die Historiker oft auch seine politischen Aspekte. Die Niederlage des kaiserlichen Deutschlands und der Waffenstillstand von Compiègne, sowie auch die Revolution und die mit ihr verbundenen heftigen Kämpfe überraschten die deutschen Politiker und haben angesichts der drohenden bolschewistischen Revolution eine Änderung der Konstellation herbeigeführt. Gleichzeitig war es nicht abzusehen, ob der wiedererstehende polnische Staat es schaffen wird, den Marsch der Bolschewiki in Richtung Westen aufzuhalten. Die Niederlage Deutschlands weckte zugleich die Erwartungen der polnischen Gemeinschaft in Großpolen, Pommern und in Schlesien. Sie änderte jedoch nichts an der formalrechtlichen Lage dieser Gebiete. Die polnischen Forderungen waren in den Waffenstillstandsbedingungen nicht erfasst, deren Einzelheiten während der Pariser Gespräche vom 2. bis zum 4. November 1918 zur Sprache kamen.

Marschall Ferdinand Foch, der Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte bestand darauf, dass in das Abkommen die Bestimmung über die Pflicht der Deutschen, „alle polnischen Gebiete samt den Gebieten des früheren Polens, die noch vor der ersten Teilung von 1772 zu Polen gehörten“ zu evakuieren, aufgenommen werden soll. Damals wurde beschlossen, dass die das Schicksal der polnischen Gebiete der preußischen Teilungszone betreffenden Entscheidungen, erst auf der Friedenskonferenz zur Sprache kommen sollten. Bei den Gesprächen über den Waffenstillstands- und den Friedensabschluss mit den Deutschen sind zwei Positionen zum Vorschein gekommen: die britische und die französische, die Vereinigten Staaten haben wiederum die Vermittlerrolle auf sich genommen. De facto konnten die Polen nur auf einen Alliierten zählen – Frankreich und seine Streitkräfte. Die Franzosen waren sich der Brückenlage Polens in Mitteleuropa und dessen eventueller Bedeutung für das nachkriegszeitliche antideutsche Bündnis bewusst. Auch aus diesen Gründen taten die französischen Politiker und Militärs alles, um das nachkriegszeitliche Deutschland für den Fall eines künftigen Konflikts soweit wie möglich zu schwächen.

Im November 1918 übernahm Józef Piłsudski die Macht in Polen und bildete eine Regierung mit Jędrzej Moraczewski. In dieser Lage wurde Polen durch das Polnische Nationalkomitee von Roman Dmowski in Paris vertreten, und im Land – durch die Regierung unter Jędrzej Moraczewski. Eines der Elemente der französischen Politik war, dass man es Roman Dmowski und dem KNP (Polnischen Nationalkomitee) in Paris nahelegte, für vollendete Tatsachen durch die Herbeiführung eines das gesamte Teilungsgebiet erfassenden Aufstandes zu sorgen. Man versprach Dmowski militärische Unterstützung für den Fall der Absetzung in Danzig der hervorragend organisierten und ausgerüsteten Landungstruppen der sog. „Blauen Armee“ von General J. Haller. Doch leider war dieser Plan undurchführbar, wegen der ablehnenden Haltung der britischen Diplomatie einerseits, und wegen des unzweifelhaft miserablen Standes der polnischen militärischen Vorbereitungen im Teilungsgebiet andererseits. Zusätzlich wurde KNP wegen seiner Beziehungen zu Frankreich nicht durch Großbritannien akzeptiert. Der Premier Arthur Balfour, der französische Einflüsse auch in Warschau befürchtete, entschloss sich dazu, Ignacy Paderewski zu unterstützen, der am 23. November 1918 in Liverpool anreiste. Der berühmte Virtuose und Fürsprecher der polnischen Sache stellte eine Alternative zu Roman Dmowski dar. So dass statt der „Blauen Armee“ die Delegation der Alliierten mit Ignacy Paderewski in Danzig ankam, der auf dem Weg nach Warschau war, um den Premierministerposten zu übernehmen. Die britische Mission leitete Major Harry Herschel Wade, ein britischer militärscher Attaché in Kopenhagen.

Es ist gelungen, die Fahrtstrecke von Paderewski nach Warschau zu ändern und die britische Mission über Posen fahren zu lassen. Am 26. Dezember um 11:00 Uhr reisten Ignacy Paderewski und Wojciech Korfanty zusammen mit der britischen Mission mit dem Zug über Piła nach Posen. Die Deutschen versuchten zwar durch ein Telegramm, und in Rogoźno auf direkte Art und Weise, die Mission direkt nach Warschau fahren zu lassen, doch die entschlossene Haltung von I.J. Paderewski und Oberst H Wade brachte diesen Plan zum Scheitern. Der Zug kam heil in der Hauptstadt Großpolens an, und seine Passagiere wurden enthusiastisch durch die Einwohner Posens empfangen.

Der oben erwähnte Aspekt der polnisch-französischen Beziehungen von November und Dezember 1918 kam deutlich während der internationalen Konferenz im Warschauer Königsschloss zum Vorschein, an der französische Historiker teilnahmen, die vor allem die Pariser Sorbonne vertraten. Am Rande bemerkt, kann eine gründliche Untersuchung des französischen Berichts ungeheuer interessante Informationen zu diesem Thema ans Licht bringen.

Die sich mit dem Aufstand befassenden Forscher sind sich auch darüber einig, dass, obwohl sein Ausbruch in Posen in Wahrheit keine Überraschung für die Leitung der Posener Zentrale war, so hat er doch ganz gewiss die Pläne seines Entscheidungszentrums – des Kommissariats des Obersten Volksrates – welches sich aus Pfarrer Stanisław Adamski, Wojciech Korfanty und Adam Poszwiński zusammensetzte, durchkreuzt. KNRL (Kommissariat des Obersten Volksrates) beabsichtigte, die bestmöglichen Bedingungen für das preußische Teilungsgebiet im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu erreichen. Nach dem Ausbruch des Aufstandes übernahm KNRL nicht sofort die Macht in der Provinz Posen. Einige Tage lang bemühten sich die Posener Politiker darum, sich mit den Deutschen zu verständigen, haben sich aber zur gleichen Zeit – weil sie ein Fiasko dieser Verhandlungen in Erwägung zogen – für die Machtübernahme im Teilungsgebiet, oder zumindest in dem durch den Aufstand erfassten Großpolen vorbereitet. Aus diesen Gründen fing man mit der Bildung des Oberkommandos und der aufständischen Streitkräfte an.

KNRL war organisatorisch und personalmäßig nicht nur auf Handlungen auf lokaler Ebene vorbereitet, sondern auch im Bereich der Außenpolitik – auf diplomatische Handlungen vorbereitet. Die Kommissare haben ihre Ziele bereits am 14. November 1918 in einem Aufruf an die polnische Gesellschaft im ehemaligen preußischen Teilungsgebiet vorgestellt. Es wurde damals eine Versammlung des polnischen sog. Teilsejms (Sejm Dzielnicowy) und Durchführung der Wahlen zum Sejm sowie zu den Landkreis-, Stadt- und Gemeinderäten angekündigt. Dieser Teilsejm fand am 3.-5. Dezember 1918 in Posen statt. Durch einen Beschluss des Sejms wurde der Oberste Volksrat (Naczelna Rada Ludowa) als ein legales Regierungsorgan im preußischen Teilungsgebiet anerkannt. NRL (Oberster Volksrat) wurde „Als unsere oberste Regierungsinstanz, bis zum Moment der Übernahme unserer Bezirke durch die Polnische Regierung“ gewählt. Es wurde auch die bisher provisorische Besetzung des Kommissariats von NRL genehmigt. Außerdem wurden politische Forderungen Polens formuliert, indem man sich als eine in der gesamten preußischen Teilungszone tätige Instanz erklärte. Und man wählte drei weitere Mitglieder des Kommissariats - Stefan Łaszewski als Vertreter von Pommern, Józef Rymer aus Schlesien und Władysław Seyda. Wie es Zdzisław Grot akzentuierte, schwebte dem Kommissariat ein legaler Weg zur Unabhängigkeit vor, basierend auf den für Polen günstigen Entscheidungen der Entente. Nichtsdestotrotz hat man nicht darauf verzichtet, eine eigene Streitkraft zu formieren – die durch den Arbeiter- und Soldatenrat anerkannte Bürgerwehr (Straż Obywatelska). Diese wurde am 27. November 1918 in die Volkswehr (Straż Ludowa) umbenannt. Man sollte auch die Bildung des durch Polen dominierten Wach- und Sicherheitsdienstes unterstreichen, was dank einer brillanten Intrige von Bohdan Hulewicz und Mieczysław Paluch gelungen ist. Und man darf auch nicht die Unabhängigkeitsarbeit von Wincenty Wierzejewski vergessen, des Begründers von POW (der Polnischen Militärorganisation) des preußischen Teilungsgebietes vergessen, der in dem hier besprochenen Zeitraum Organisator einer Pfadfinder-Kompanie war.

Unabhängig von den Absichten der polnischen Politiker im ehemaligen preußischen Teilungsgebiet fand der Ausbruch des Aufstandes in Posen und in Großpolen in einem sehr guten Moment statt. Berlin war nicht in der Lage, den Posener Aufstand niederzuschlagen, denn es verfügte weder über entsprechende Streitkräfte noch Möglichkeiten dazu. Die deutschen Politiker standen jedoch der Gefahr des Verlustes Großpolens als des Lebensmittelversorgers Deutschlands, sowie auch dem Verlust Schlesiens – mit seinen Ressourcen und seiner Industrie gegenüber. Zur Prüfung der Situation in Posen entsendete die deutsche Regierung eine Delegation mit Eugen Ernst an der Spitze, eine Beamten-Gruppe, zu denen in Posen die deutschen Führungskräfte dazu stießen. Die polnische Seite repräsentierten die Kommissare – Pfarrer Stanisław Adamski und Wojciech Korfanty. Es waren auch die Vertreter der Exekutivabteilung des Arbeiter- und Soldatenrates, die Vertreter der Volksräte – der deutschen und der jüdischen – und das Polizeipräsidium dabei. Diese Gespräche fanden am 30. Dezember im sog. neuen Rathaus in Posen statt.

Beide Seiten warfen einander Provokation der Ereignisse und nationalistische Neigungen vor. Während der Gespräche wurde festgestellt, dass das 6. Grenadier-Regiment Posen ohne Unterstützungswaffen und ausschließlich mit persönlichen Waffen verlassen kann. Es wurden auch die internierten Beamten und Generäle freigelassen. Am 1. Januar 1919 kehrte die deutsche Delegation nach Berlin zurück. Das Kommissariat von NRL hat den Major Stanisław Taczak zum provisorischen Oberbefehlshaber des Aufstandes nominiert, und zum Kommandanten Posens wurde Jan Maciaszek. Am 8. Januar übernahm General Józef Dowbor-Muśnicki den Posten des Oberbefehlshabers, wobei Major Taczak seinen Pflichten noch bis zum 16. Januar nachkam.

Aus oben genannten Gründen wurde der Beschluss über die Übernahme der Regierungsgewalt in den befreiten Gebieten erst am 3. Januar 1919 erlassen, allerdings hat das Kommissariat von NRL (des Obersten Volksrates) die großpolnische Gesellschaft durch einen Aufruf darüber informiert, dass der Oberste Volksrat die Macht in Großpolen übernommen hat. Nach der Ansicht von Prof. Zbigniew Dworecki haben die Volksräte die unterschiedlichste Verwaltungstätigkeit übernommen, man übernahm u.a. die staatliche Verwaltung und Selbstverwaltung und teilweise auch die Gerichtsbarkeit, nahm erforderlichen Personalwechsel in den Ämtern vor, erließ Vorschriften und Verordnungen, um den befreiten Gebiet Großpolens rechtlich, verwaltungstechnisch und wirtschaftlich unabhängig zu machen, formierte eine Großpolnische Armee und bereitete schließlich auch eine Dokumentation für die Abrechnungen mit den Deutschen vor, wodurch man die Arbeit der Liquidationskommission erleichterte.

Die Aktivisten des NRL und seine Leitung haben sowohl vor als auch nach dem 8. Januar 1919 eine große politisch-verwaltungstechnische Aktivität gezeigt, indem sie stufenweise die Verbindungen des Kommissariats zur Berliner Zentrale abbrachen. Bis Ende Februar wurden die Arbeiter- und Soldatenräte entfernt, um als nächstes mit der Liquidation der Volksräte anzufangen, und ihren Vorsitzenden und den Kommandanten der Ordnungswache wurden hohe Ämter angeboten. Wie Henryk Lisiak bemerkte, übernahm das Kommissariat auch gesetzgebende und exekutive Funktionen, es bildete auch drei Unterkommissariate: für Schlesien, Pommern und für den Bezirk an der Netze. Es fing auch die Tätigkeit der vier Abteilungen an: Abteilung für Landeswirtschaft  (Juliusz Trzciński), Abteilung für Organisation und Propaganda (Pfarrer Józef Prądzyński), die oben erwähnte Abteilung – für Politik und Armee (Leon Pluciński) und Abteilung für Verwaltung und Gerichtsbarkeit (Wacław Wyczyński).

Innerhalb der organisatorischen Struktur des Kommissariats befasste sich die III. Abteilung – für Politik und Armee, die unmittelbar einem der aktivsten und kompetentesten Kommissare - Wojciech Korfanty unterstand, mit politischer Tätigkeit. Der Abteilungschef war Leon Pluciński, dem drei Dezernate unterstanden: 1. Dezernat für Politik, 2. Dezernat für Flüchtlinge, 3. Dezernat für die Registrierung der Kriegsverluste.

In dem Warschauer Büro des Kommissariats von NRL, welches der Zentralen Abteilung unterstand, war es wiederum W. Kręglewski. Es wurde auch ein Büro ins Leben gerufen, das die Aufgabe hatte, Unterlagen für die polnische Delegation, die zur Friedenskonferenz in Paris reisen sollte, vorzubereiten.

Als KNRL sich an den Staatschef wendete, damit er einen Befehlshaber für den Aufstand bestimmt, hat dieser den General J. Dowbor-Muśnicki empfohlen. Ohne sich in die Beweggründe des Staatsoberhauptes zu vertiefen und auf die skeptische Einstellung des Generals zu dem von unten initiierten Aufstand einzugehen, muss man feststellen, dass im Großen und Ganzen General Dowbor-Muśnicki sich als Befehlshaber bewährt hat, der die schwach organisierten, aber tapferen und kampftüchtigen aufständischen Abteilungen zu einer regulären Großpolnischen Armee umgestalten sollte. Es gelang ihm auch eine erfolgreiche Koordination der stufenweisen Vereinigung der großpolnischen Einheiten mit der Polnischen Armee.

Gegen Ende Januar 1919 versammelten die Deutschen an der Großpolnischen Front zahlreiche Streitkräfte und bereiteten eine Offensive vor, mit der Absicht, den Aufstand niederzuschlagen. Beide Seiten zeichneten sich durch Verbissenheit und Kampfwillen aus. Seit Anfang Februar ging die aufständische Armee zur Verteidigung über und kämpfte um die Erhaltung der Januar-Errungenschaften. Die Kämpfe gestalteten sich dramatisch. Insbesondere blieb das Schicksal kleinerer und größerer Orte wechselhaft. Generell bewahrten die Polen den status quo, und die deutsche Seite war nicht in der Lage, die polnischen Eroberungen beachtlich zu schmälern. Allerdings bereiteten sich die Deutschen zu einer erneuten Offensive vor.

Währenddessen haben die Mitglieder des Kommissariats bereits seit Mitte Januar, weil sie sich der Gefahr einer deutschen Offensive bewusst waren, und außerdem sich um die aus polnischer Sicht richtige Aufnahme des Großpolnischen Aufstandes durch die Entente-Staaten Gedanken machten, laufend Telegramme mit den polnischen Politikern des KNP (Polnischen Nationalkomitees) in Paris ausgetauscht. Man rechnete mit dem Abschluss eines Waffenstillstandes, und hoffte auf diese Weise, die bisherigen militärischen Errungenschaften der aufständischen Armeen abzusichern. In mehreren Telegrammen an das KNP, die im alarmierenden Ton verfasst wurden, machten die Kommissare auf die schwierige Situation der Provinz Posen angesichts der zu erwartenden deutschen Aktionen aufmerksam. Prof. Stanisław Sierpowski stellte zutreffend fest, dass der Hauptgrund, der das Interesse der Franzosen an dem Schicksal Großpolens rechtfertigte, das Risiko eines Kriegsausbruches im Osten war, auf welches sich die polnischen Politiker beriefen. Leider wurde die Korrektur der Bedingungen des Friedensstillstandes, darunter auch die Berücksichtigung der Provinz Posen, im Januar noch nicht in Betracht gezogen. Die deutschen Politiker zeichneten in ihren an die Entente-Regierungen adressierten Telegrammen ein falsches Bild von den Ereignissen in Großpolen. So bezeichnete zum Beispiel Ulrich Brockdorff-Rantzau in seinem Brief an die englische Regierung vom 15. Januar 1919 den polnischen Aufstand als eine „Rebellion, ein Verbrechen gegen das Vaterland und als einen Hochverrat“, und die Ziele der Aufständischen als:  

 „Unbändige Zügellosigkeit des polnischen Imperialismus”, wobei er feststellte, dass „die deutsche Regierung in der gegenwärtigen Situation eine große Gefahr sieht, die den dauerhaften Weltfrieden gefährdet“. Als Reaktion auf diese erdichteten Feststellungen des deutschen Außenministers adressierte das Kommissariat von NRL am 21. Januar 1919 an die verbündeten Regierungen einen ausführlichen Brief, in dem es Punkt für Punkt die deutschen Behauptungen in Frage stellte und gründlich alle Lügen, Halbwahrheiten und Manipulationen aufklärte.

Bereits einen Tag später wurde die Angelegenheit des Großpolnischen Aufstandes auf der Sitzung des Obersten Kriegsrates der verbündeten Großmächte besprochen. In der Diskussion, an der u.a. der Marschall Ferdinand Foch, der Premier Georges Clemenceau, der Premier Lloyd George, der Minister Arthur Balfour, der italienische Minister Sydney Sornino und der Präsident der USA Woodrow Wilson teilnahmen, wurde festgestellt, dass die polnischen Unabhängigkeitsbestrebungen in Großpolen und in den anderen Gebieten der preußischen Teilungszone einerseits das fehlende Vertrauen zur Friedenskonferenz demonstrieren, und andererseits, nach der Ansicht der Versammelten, das Konzept des Kampfes des wiedererstehenden Polens gegen die Bolschewiki destabilisieren. Wie man also sieht, hatten es die Politiker des Polnischen Nationalkomitees in Paris, das einvernehmlich mit dem Kommissariat von NRL handelte, eine sehr schwierige Aufgabe vor sich, als sie den Zehnerrat dazu bewegen wollten, die Errungenschaften des Großpolnischen Aufstandes anzuerkennen. Die Zukunft Großpolens wurde noch erwogen und es gab noch keine Lösung. Das Ergebnis der Treffen vom 22. Und 24. Januar 1919 war die Bildung der Interalliierten Missio, die unter der Leitung des Botschafters Joseph Noulens, eines französischen Politikers und Diplomaten, nach Polen entsendet wurde und einen militärisch-politischen Charakter haben sollte. Das Hauptziel der Delegation sollte die Vorbereitung eines Berichts über die Situation in Polen für die Friedenskonferenz sein. Hingegen sollten die bislang sich in polnischen Gebieten aufhaltenden Missionen – aus Großbritannien unter Oberst H. Wade und – aus Frankreich unter General Berthelemy – eine neue Mission mit erweiterter Besetzung bilden. Sie sollte vor der Eskalation des polnisch-deutschen Konflikts bewahren.

Die deutsche Regierung lehnte in ihrer Note an die Entente-Staaten vom 10. Februar und in der Rede des Ministers Brockdorff-Rantzau auf der Nationalversammlung am 14. Februar entschlossen die Anwesenheit der Alliierten Mission auf ihrem Territorium ab, sowie sie auch den Verbot der Alliierten, gegen die Polen Streitkräfte einzusetzen ablehnte. Die Interalliierte Mission kam im Februar in Warschau an, und ihre Delegation hat auch eine Beobachtungstätigkeit in Großpolen aufgenommen.

Vor dem Ende der Friedenskonferenz in Paris waren die vom 14. bis zum 16. Februar stattgefundenen harten Verhandlungen in Trier der letzte politische Akt des großpolnisch-deutschen Krieges – am Vortag des Waffenstillstandes zwischen den Entente-Staaten und dem Deutschen Reich. Die deutsche Seite wurde durch die Minister Erzberger und Kurt von Hammerstein vertreten, und die Entente-Staaten – durch den Marschall Foch und General Maxime Weygand – den Generalstabschef der verbündeten Truppen. In die bisherige Version des Waffenstillstandsvertrages wurde die Bestimmung aufgenommen, dass die Deutschen alle gegen die Polen gerichteten offensiven Aktionen einstellen sollen. Das verlief jedoch nicht ohne die dramatisch klingenden Proteste der deutschen Seite, die sich u.a. auf die polnischen Ausbrüche des Nationalismus, Rebellion und unberechtigte Überfälle auf die sich im großpolnischen Gebiet rechtmäßig aufhaltenden preußischen Abteilungen berief. Am 15. Februar kam diese Angelegenheit vor den Zehnerrat, wo man sich über das eigentliche Ziel der deutschen Offensive im Klaren war. Es hatte sich u.a. der Premier Ignacy Paderewski aktiv zu diesem Thema geäußert.

Das Resultat der mit Unterstützung von KNP und der polnischen Regierung stattgefundenen Gespräche in Trier war die Verlängerung des Waffenstillstands zwischen den Entente-Staaten und Deutschland am 16. Februar 1919. Gleichzeitig wurde die Großpolnische Armee als eine verbündete Armee anerkannt.

 Auf der Grundlage des in Trier unterzeichneten Waffenstillstandsdokuments sollten die Deutschen alle bewaffneten Handlungen einstellen. Es wurde darin festgestellt, dass „(…) die Deutschen unverzüglich alle Offensivhandlungen gegen die Polen in der Provinz Posen und in allen anderen Bezirken unterlassen sollen“.

Der Vertrag legte eine Demarkationslinie fest, welche die während der aufständischen Kämpfe eroberten Gebiete umfasste: „Zu diesem Zwecke wird es den deutschen Streitkräften verboten, die folgende Linie zu überschreiten: die ehemalige Grenze von Ostpreußen und Westpreußen mit Russland bis hin zu Dąbrowa Biskupia, dann, angefangen von diesem Punkt der Linie nach Westen von Dąbrowa Biskupia, nach Westen von Wieś Wielka, nach Süden von Brzoza, nach Norden von Szubin, nach Norden von Kcynia, nach Süden von Szamocin, nach Süden von Chodzież, nach Norden von Czarnków, nach Westen von Miały, nach Westen von Międzychód, nach Westen von Zbąszyn, nach Westen von Wolsztyn, nach Norden von Rawicz, nach Süden von Krotoszyn, nach Westen von Odolanów, nach Westen von Ostrzeszów, nach Norden von Wieruszów und dann bis zur schlesischen Grenze“

Die Situation in Großpolen war jedoch nach wie vor angespannt, und die deutschen Truppen verließen nicht die Polen zuerkannten Gebiete. In der zweiten Februarhälfte des Jahres 1919 fand eine Reihe von Provokationen von deutscher Seite statt, die Angriffe auf die Orte in polnischer Zone ausführte, die durch Polen pariert wurden. In den nachfolgenden Monaten haben die Deutschen einen strategischen Plan eines Angriffes auf die Provinz Posen vorbereitet. Darauf reagierten die Franzosen aus der Interalliierten Kommission. Nach monatelangen Verhandlungen und Transportproblemen wurde ein Einverständnis in der Sache des Transports der Polnischen Armee unter General J. Haller aus Frankreich nach Polen erzielt. Das geschah im April 1919, und die Ankunft von rund 70 tausend gut bewaffneter und ausgestatteter Soldaten sollte eine ungeheuer wichtige Rolle bei den Kämpfen um die Grenzen des wiedererstehenden Polens spielen.

An den Kämpfen um die Grenzen der Rzeczpospolita beteiligte sich auch die sich fortwährend weiterentwickelnde Großpolnische Armee. Dowbor-Muśnicki stimmte nämlich dem Entsenden der Abteilungen zum Entsatz von Lemberg zu. Angesichts der zunehmenden polnisch-deutschen Spannung in Großpolen, wurde im Mai 1919 die Großpolnische Armee unter das Oberkommando von Józef Piłsudski gestellt, der eine strategische Alarmbereitschaft anordnete. Im Juni verstärkten sich erneut die Gefechte an der Front, und am 2. Juni verhängte das Kommissariat einen Ausnahmezustand. Den krönenden Abschluss der Bemühungen u.a. der gesamten Gesellschaft Großpolens und der politischen Faktoren aus Posen, Warschau und Frankreich war am 28. Juni 1919 die Unterzeichnung des Friedensvertrages durch die Deutschen.

Der Großpolnische Aufstand ist in politischer Hinsicht positiv zu bewerten. Die Skeptiker würden sicherlich darauf aufmerksam machen, dass die Großzahl der unzweifelhaft polnischen Gebiete Großpolens sowieso Polen zuerkannt werden würden, ohne dass dafür Menschenleben geopfert und Zerstörungen angerichtet werden müssten. Dennoch war er ein Ausdruck des Willens der großpolnischen Gesellschaft, sich auf einen Kampf gegen die verhasste deutsche Teilungsmacht einzulassen, unter Berufung auf das damals populäre Motto der Selbstbestimmung der Nationen. Den westlichen Großmächten verdeutlichte die großpolnische Insurrektion ausdrücklich den Ernst und die Dramatik der Situation in der Provinz Posen, und sensibilisierte sie für die polnischen Erwartungen in Bezug auf die restlichen Gebiete der preußischen Teilungszone. Der Aufstand würde jedoch nicht gelingen, wenn nicht bestimmte Umstände eintreten würden, solche wie die Schwächung Deutschlands infolge des verlorenen Großen Krieges, die Abdankung des Kaisers Wilhelm II. und schließlich der Ausbruch der kommunistischen Revolution des „Spartakus“. Außerdem hing das Schicksal Großpolens und anderer Gebiete des preußischen Teilungsgebietes im hohen Maße von den untereinander konkurrierenden Alliierten Mächten – Frankreich und England ab. Es fällt schwer, nicht den Schluss zu ziehen, dass das Gelingen der polnischen Sache zum Verhandlungsargument in der europäischen Politik der besagten Großmächte wurde.

Aus der Sicht der Beziehungen zwischen Posen und Warschau hat der Aufstand der Regierung in Warschau die Stärke der großpolnischen Gesellschaft deutlich gemacht. Trotz der damaligen Missverständnisse und unterschiedlicher Bewertungen der Politik der Regierung der Rzeczpospolita gegenüber den Großpolen muss angemerkt werden, dass der Vorläufige Staatschef nicht negativ gegenüber dieser Region eingestellt war. Dr. Marek Rezler hat ganz richtig bemerkt, dass Józef Piłsudski trotz seiner Erklärung, sich nicht um die Wiedererlangung der Gebiete aus der preußischen Teilungszone zu bemühen (so während des Gesprächs mit dem Grafen Harry Kessler in der Festung Magdeburg) sich in den darauffolgenden Wochen und Monaten während der offiziellen politischen Gespräche mit den Deutschen auf die Seite der Provinz Posen stellte, was schließlich (am 15. Dezember 1918) mit dem Abbruch politischer Beziehungen mit Berlin endete. Nichtsdestotrotz gelang es Piłsudski nicht, die Aktivisten der Nationaldemokratie und die großpolnische Gesellschaft von sich zu überzeugen, zumal der Stereotyp der fehlenden Unterstützung durch Warschau und den Oberbefehlshaber in der Gesellschaft wirksam durch die lokalen Politiker genährt wurde.

Dennoch muss man hervorheben, dass zur Zeit des Formierens der Großpolnischen Armee, ihrer Verschmelzung mit der Polnischen Armee sowie während des Kampfes an unterschiedlichen Fronten um die Grenzen Polens und bei offiziellen Kontakten mit Warschau Großpolen sich nicht nur als ein Muster der Rechtsstaatlichkeit und Redlichkeit erweisen, sondern auch ihre eigenen Vorstellungen über die politische Form des wiedererstehenden Polens einbringen sollte.