Kulissen des Großpolnischen Aufstandes

Militärische Kontakte zwischen Posen und Warschau vor dem Ausbruch des Großpolnischen Aufstandes.

Janusz Karwat

Mit dem Problem der Zukunft der Gebiete der preußischen Teilungszone befasste sich ausführlicher der Regentschaftsrat im September 1918. In Kürze wurde ein Referat des preußischen Teilungsgebietes unter der Leitung von Leutnant Henryk Bigoszt gebildet. Die Aufgabe des Referats war die Aufrechterhaltung der Kontakte mit Großpolen und Vermittlung bei den Vorbereitungen zum bewaffneten Aufstand. Am 28. Oktober 1918 hat Major Włodzimierz Zagórski als Stellvertreter des Generalstabes der Polnischen Armee zu diesem Zwecke das Kommando in Kalisz einberufen. Gleichzeitig wurde im Generalstab ein Referat für die Angelegenheiten der Gebiete der preußischen Teilungszone gebildet. Einen gewissen Einfluss auf das Formieren des sog. 1. Ostrowa-Regiments hatte das Kommando des IX. Militärischen Bezirks in Kalisz. Anfang November 1918 trafen sich die Leutnants H. Bigoszt, Stanisław Szczęsny, Juliusz Ulrych und Zygmunt Wieliczka mit den Vertretern des lokalen Bürgerlichen Komitees.  Diese Kontakte brachten keine größeren Effekte. Am 17. November 1918 hat der Volksrat von Ostrowo in einem an das Oberkommando in Kalisz adressierten Brief die militärische Zusammenarbeit gekündigt, indem er feststellte, dass er nur das Kommissariat des Obersten Volksrates anerkennt. Der sich in Ostrowo aufhaltende Marian Modrzejewski wurde als Befürworter einer engen Zusammenarbeit mit der Zentrale in Kalisz verhaftet und mit Eskorte zur Grenze gebracht. Bis zum 26. November 1918 wurde die Abteilung von Ostrowo aufgelöst, und mehrere Dutzend Soldaten wurden nach Kalisz geschickt. Anfang November 1918 hat das Bürgerliche Zentralkomitee von Posen Dr. Celestyn Rydlewski zum Generalstab der Polnischen Armee entsendet, der vorgeschlagen hat, mit der Rekrutierung der aus dem preußischen Teilungsgebiet stammenden Polen für die Abteilungen der Polnischen Armee, die im ehemaligen russischen Teilungsgebiet gebildet werden sollten, anzufangen. Am 8. November 1918 informierte der Generalstab der Polnischen Armee die ihm unterstellten Militärischen Bezirke, dass sich in den nächsten Tagen ca. 800 Großpolen in den Abteilungen in Piotrków, Częstochowa, Kalisz, Łódź und Włocławek melden werden. Sie sollten sich als ehemalige Legionisten mit dem Tarnnamen „Celestyn“ melden. Ein weiterer Befehl des Generalstabschefs der Polnischen Armee vom 4. Dezember 1918 ordnete an, dass man die sich meldenden Freiwilligen aus Großpolen in die Infanterie-Regimenter: 27, 29, 31, 32 und 33 aufnehmen sollte. Es haben sich aber nicht so viele Freiwillige wie man im Generalstab der Polnischen Armee erwartet hat, gemeldet. Laut dem dem Generalstab der Polnischen Armee durch Oberst Jerzy Lewszecki, dem Befehlshaber des IX. Militärischen Bezirks Kalisz, vorgelegten Bericht wurden einige Dutzend Großpolen zählende Unterabteilungen im 29. Infanterie-Regiment (Konin) und im 31. Infanterie-Regiment (Włocławek) registriert. Als das zahlreichste hat sich das Grenzbataillon erwiesen, das in Kalisz, und dann in Szczypiorno organisiert wurde. Die Organisatoren der bewaffneten Bewegung im preußischen Teilungsgebiet Mieczysław Paluch und Bronisław Sikorski waren gegen die Bildung der sog. Grenzbataillone. Sie behaupteten nämlich, dass dies die lokale Dynamik schwächen würde. Gleichzeitig suchte die Führung von CKO (Bürgerliches Zentralkomitee) des Obersten Volksrates einen Kandidaten für den Oberbefehlshaber der polnischen Streitkräfte im preußischen Teilungsgebiet. Am 13. November 1918 reiste zu diesem Zwecke Wojciech Korfanty nach Warschau. Dort wendete er sich an den Oberstleutnant Wacław Przeździecki – den Chef der Abteilung des I. Generalstabes der Polnischen Armee, und bat ihn um Hilfe bei der Bildung des Offizierskaders für die in Großpolen organisierten Formationen. Die politische Führung von Posen (Oberster Volksrat) hat noch zwei Versuche unternommen, einen Offizier mit höherem Dienstgrad für Posen zu beschaffen, um ihm die Führung und Organisation der Abteilungen anzuvertrauen. Am 15. Dezember 1918 sprach Jan Maciaszek, Leiter der Militärischen Abteilung des Obersten Volksrates mit Generalleutnant Eugeniusz de Michaelis Hennig, dem ehemaligen Organisator und Befehlshaber des III. Polnischen Korps in Russland. Diese Maßnahmen brachten aber nur kärgliche Resultate. Die Befürchtungen der staatlichen Zentrale in Warschau, in den Krieg mit den Deutschen hineingezogen zu werden, belasteten die Beziehungen zwischen Posen und Warschau. Am 18. Dezember 1918 eröffnete der Generalstab der Polnischen Armee ein Organisationsbüro der Militärs und Beamten aus Großpolen, Schlesien und Preußen auf dem Platz Pl. Warecki 8. Das Büro befasste sich mit Aufklärungsätigkeit im preußischen Teilungsgebiet und mit der Beschaffung von Waffen und militärischer Ausrüstung. Das Büro beschäftigte 6 Offiziere, 1 Unteroffizier und 5 Soldaten. Der Provisorische Staatschef Józef Piłsudski überging in seinen Plänen für den Wiederaufbau des polnischen Staates durchaus nicht die Gebiete der preußischen Teilungszone. Diese Gebiete betrachtete er als historischen Teil Polens, glaubte aber nicht an ihre Zurückgewinnung auf bewaffnetem Wege. Er glaubte, dass ihr Schicksal von der Entente abhängt und konzentrierte seine politischen und militärischen Bemühungen auf den Osten. Allerdings brach er angesichts der deutschen Repressionen gegenüber den Polen im preußischen Teilungsgebiet am 15. Dezember 1918 die Beziehungen mit den Deutschen ab. Inoffiziell unterstützte er die militärischen Unternehmungen in der Provinz Posen. Seit den ersten Dezembertagen 1918 hielten sich die politischen Emissäre von Józef Piłsudski u.a. Tadeusz Hołówko, Wacław Sieroszewski, Walery Sławek in Posen auf. Die Gespräche betrafen vor allem die Teilnahme der Großpolen an der durch den Staatschef gebildeten Regierung. In Posen hielten sich auch die Abgesandten von SG WP (Generalstab der Polnischen Armee) und von ND WP (Oberkommando der Polnischen Armee), die ab dem 9. Dezember 1918 regelmäßig Berichte über die militärische Situation in Großpolen schickten (Ignacy Matuszewski, Stanisław Łapiński). Ab dem 12. Dezember schickte auch die POWZP (Militärorganisation des Preußischen Teilungsgebietes) nach Warschau solche Berichte, die durch Wincenty Wierzejewski, Mieczysław Paluch und Jerzy Hulewicz unterschrieben waren. Die Großzahl der Meldungen wurde von Posen nach Kościanki (Landgut von Jerzy Hulewicz) durch Meldegänger übermittelt, und dieser hat sie dann dem Leutnant Jan Skobowski, dem Kommandanten der Stelle der POW (Polnische Militärorganisation) in Słupca, übermittelt. Aus den erhaltenen Berichten geht hervor, dass die Einstellung des Leiters der militärischen Angelegenheiten im Obersten Volksrat – W. Korfanty gegenüber J. Piłsudski keine wohlwollende war. Daher kontaktierten sich die Abgesandten aus Warschau mit der Führung von POWZP. Es ging auch um die Lieferungen der Waffen und der Ausrüstung für die Polnische Armee aus der Provinz Posen (Rucksäcke, Uniformen, Schuhe, Sattel). All dies war in der Provinz Posen leicht zugänglich und viel günstiger als im Gebiet des ehemaligen Kongresspolens. In den erhaltenen Berichten des Generalstabs der Polnischen Armee wurde festgestellt, dass bis Ende Dezember 1918 ein solcher Warentransport mit Fahrzeugen vier Mal durch Fähnrich Józef Wierzejewski organisiert und realisiert wurde.