Verlauf der Aufstandskämpfe

KÄMPFE UM CHODZIEŻ (COLMAR) 8. Januar 1919

Marek Rezler

Die Kämpfe um Chodzież (Colmar) und Szubin standen in einem direkten Zusammenhang mit der Verwirrung, die auf der deutschen Seite herrschte als die Aufständischen Nakło besetzten. Dieses Städtchen war in dieser Region, wie bereits erwähnt, der Hauptverkehrsknoten für die sich nach Westen zurückziehenden deutschen Abteilungen. Außerdem stellte Nakło für die polnische Seite einen bequemen Stützpunkt für die in Richtung Ślesin und Bydgoszcz, Wysoka, Piła sowie Łobżenica durchzuführenden Angriffszüge. Es entstand somit eine reale Chance für die Weiterentwicklung des Aufstandes in Richtung Pommern.

Die diplomatischen Verhandlungen, die bezwecken sollten, dass die Polen Nakło verlassen, verbanden die Deutschen mit konkreten militärischen Handlungen. Von Osten konnten sie Eroberungen verzeichnen: man hat Schubin zurückerobert und diese Eroberung behalten, man besetzte Łabiszyn und Żnin. Es entstand eine reale Möglichkeit, die polnische in Richtung Nakło orientierte Keilformation abzuschneiden. Es hing also viel von dem Ergebnis der Kämpfe auf dem westlichen Abschnitt – in der Gegend von Chodzież und Margonin ab. Bereits am 7. Januar versuchten die Deutschen, Nakło direkt anzugreifen; es gelang ihnen zwar, die Aufständischen bei Wysoka und Mrocza zu besiegen, aber die polnische Verteidigung in Ślesin konnte man nicht durchbrechen.

Chodzież wurde durch die Aufständischen am 6. Januar 1919 (kraft einer geschlossenen Vereinbarung) besetzt. In die Stadt marschierte eine 250 Personen zählende Garnison unter dem Kommando von Leutnant Włodzimierz Kowalski ein, die sich aus der Wągrowiec-Abteilung (ca. 40 Leute) und der provisorisch vor Ort organisierten Abteilung der Volkswehr (Straż Ludowa) (ca. 200 Soldaten) zusammensetzte.

Die Deutschen organisierten, trotz des geschlossenen Vertrages, einen Angriffszug von Piła aus, um Chodzież zurückzuerobern. Die Aufständischen konnten dem Druck nicht standhalten und zogen sich aus Chodzież nach Budzyń zurück. Seitdem wurde dieses Städtchen zur Region, in der sich die polnischen Streitkräfte versammelten, die zur Wiedereroberung von Chodzież eingesetzt werden sollten. Noch am 7. Januar wurden dort folgende aufständische Abteilungen versammelt:

aus Wągrowiec (Befehlshaber Antoni Biskupski) ca. 100 Personen

aus Rogoźno (Befehlshaber Seweryn Skrzetuski) ca. 140 Personen

aus Czarnków (Befehlshaber Zygmunt Łakiński) ca. 100 Personen

aus Margonin (Befehlshaber Franciszek Kryza), sowie

Verstärkung aus Wągrowiec und eine Freiwilligen-Abteilung aus Budzyń ca. 50 Soldaten.

Ausrüstung (außer den Handwaffen): 8 schwere Maschinengewehre und ein leichtes Maschinengewehr.

Vermutlich gab es am 8. Januar in Budzyń schon etwa 800 Aufständische. An der Spitze dieser Leute stand Leutnant Włodzimierz Kowalski. In Chodzież befanden sich zu derselben Zeit drei Infanterie-Kompanien und eine deutsche Dragoner-Abteilung – insgesamt 800 Soldaten und mehrere Dutzend einheimischer Siedler. Außerdem besetzten die Deutschen das Landgut Rataje, den Bahnhof in Chodzież und die Försterei in der Nähe des Dorfes Podanin.

Der Schöpfer des Plans und der endgültige Befehlshaber bei der Aktion der Zurückeroberung von Chodzież ist unbekannt. Man kann vermuten, dass ihre individuellen Absichten diesbezüglich zeitgleich Leutnant Włodzimierz Kowalski, Befehlshaber der Wągrowiec-Abteilung und Leutnant Zdzisław Orłowski, der ab dem 7. Januar Kommandant des IV. Militärischen Bezirks war, zu realisieren versuchten.

Man beabsichtigte, Chodzież aus drei Richtungen anzugreifen:

Wągrowiec-Abteilung (Befehlshaber Leutnant W. Kowalski) – ab Mittag Angriff auf Podanin und dann auf Chodzież,

Oborniki-Abteilung (Befehlshaber S. Skrzetuski) – Aktion aus östlicher Richtung, Angriff auf das Landgut Rataje und dann auf Chodzież,

Abteilungen: aus Rogoźno und Czarnków (Befehlshaber: A. Biskupski und Z. Łakiński) – Angriff auf Chodzież aus dem Westen, in Richtung Bahnhof.

Die Aktionen sollten zeitgleich am 8. Januar 1919 um 8:00 Uhr beginnen. In Wirklichkeit wurden aber die Handlungen nicht synchron aufeinander abgestimmt, so dass die einzelnen aufständischen Abteilungen oft auf eigene Hand mit unterschiedlichen Ergebnissen kämpften, zumal zwischen den einzelnen Gruppen keine Fernmeldeverbindung vereinbart war.

Den Kampf leitete die Czarnków-Abteilung ein, zu einer Uhrzeit, die früher als die vereinbarte war. Der Angriff wurde abgewehrt, und seine Teilnehmer, nachdem sie die Nachricht erhielten, dass Czarnków durch Deutsche bedroht wird, kehrten in ihre Heimatstadt zurück. Im Endeffekt wurde der einsame Angriff der Abteilungen aus Wągrowiec und Rogoźno mit großen Verlusten abgewehrt. Die Aufständischen wurden zerschlagen und zerstreut, und ein Teil von ihnen verzichtete auf weiteren Kampf und kehrte nach Hause zurück. Hingegen waren die Aufständischen aus Oborniki und die sich ihnen anschließende Gruppe von Franciszek Kryza erfolgreich. Es gelang ihnen, von Osten nach Chodzież einzudringen; durch einen konzentrisch erfolgenden Angriff, zusammen mit dem Teil der an ihren Stellungen zurückgebliebenen Abteilung aus Rogoźno eroberte man den Bahnhof und zwang die Besatzer zu einer Flucht mit dem Zug in Richtung Piła.

Zu dieser Zeit gelang es in Podanin, einen Teil der zerstreuten Września-Abteilung zu versammeln und erneut einen Angriff in Richtung Chodzież zu starten. Und diesmal wurde die Aufgabe ausgeführt. Etwa gegen Mittag, am 8. Januar war die Stadt frei.

Die weitere Entwicklung der Ereignisse war dann schon nicht mehr so erfolgreich, zumal der geplante Angriff auf Piła (infolge der Niederlage bei Szubin am 8. Januar) aufgegeben werden musste. Zwischen Czarnków und Wieleń wurden drei Schleusen geschlossen, wodurch man das Netze-Tal auf diesem Abschnitt überflutete. Die Notwendigkeit, die Streitkräfte zu versammeln, um die Aktion der Deutschen bei Szubin aufzuhalten zwang das Oberkommando zur Erteilung des Befehls, Chodzież zu verlassen.

Polnische Verluste: 24 Getötete und 62 Verletzte. Es sind 72 Deutsche während der Kämpfe um die Stadt und etwa 70 infolge des Beschusses durch die Aufständischen des nach Piła abfahrenden Zuges gefallen. Polnische Beute: 12 schwere und 13 leichte Maschinengewehre, 2 Mörser, mehr als Dutzend Pferde und Munitionswagen.

Nun soll eine Zusammenfassung des Zeitraumes der Kämpfe zwischen dem 27. Dezember 1918 und dem 8. Januar 1919 versucht werden. Die Analyse der Kämpfe um Chodzież erlaubt es, Schlüsse zu ziehen, die schon aus den Überlegungen zu den anderen Kämpfen der ersten zehn Tage des Großpolnischen Aufstandes bekannt sind. Vor allem war die fehlende Qualifikation seitens der Befehlshaber der einzelnen Abteilungen schon fast die Regel. Sie waren voll guten Willens, mit patriotischer Begeisterung, aber sie kamen nicht mit der fachlichen Führung des Kampfes zurecht, begingen Fehler, die ausgebildeten Offizieren mit Fronterfahrung nicht passieren konnten. Einige Schnitzer waren schon sehr krass – sogar für die damaligen Bedingungen. Besonders oft kam eine fehlende Vereinbarung der Mittel und der Art der Aufrechterhaltung einer Fernmeldeverbindung, fehlende Synchronisierung der Handlungen einzelner Gruppen vor. Das allgemeine Konzept eines gleichzeitigen Angriffs eines Ortes aus mehreren Richtungen war richtig, aber seine Ausführung ließ zu wünschen übrig.

Während des Kampfes verfügte man selten über eine ausreichende Menge von Informationen über den Gegner; eine positive Ausnahme bildeten hier die Kämpfe um Chodzież. Wenn es zum Angriff kam, ging man meistens zur Aktion über, ohne die bisherigen Vereinbarungen zu beachten, man beging Fehler im Führungssystem: Fehlende Fernmeldeverbindung, unpräzise Festlegung der Reihenfolge in der Übernahme des Kommandos, persönliche Teilnahme der Befehlshaber im Kampf, und somit fehlende Kontrolle über die gesamte Situation usw. Vorfälle von Kompetenzkonflikten passierten ziemlich selten, aber es fehlte an einem Befehlshaber mit fester Persönlichkeit, mit Talent oder mit taktischem Wissen. Für gewöhnlich hatten in solchen Fällen viel die selbsternannten Anführer zu sagen, sowie Befehlshaber, die bravourös und risikofreudig eingestellt waren, solche wie P. Cyms und W. Kowalski. Wenn es jedoch notwendig war, den Kampf in schwierigen Bedingungen, die Erfahrung und oft geradezu fachlichen Instinkt abverlangten, zu steuern – waren sie ratlos. Die aufständischen Soldaten bezahlten für diese Inkompetenz ihrer Anführer oft mit ihrem Leben. Nur ein Befehlshaber, Władysław Wiewiórowski, musste am eigenen Leib die tragischen Konsequenzen seiner fehlenden Kompetenz erfahren. Die Deutschen ernteten in solchen Fällen die Früchte ihrer jahrzehntelangen Politik einer systematischen Nichtzulassung der Polen zu höheren Offiziersdienstgraden. Das Ergebnis dessen war, dass ihnen auf polnischer Seite nur selten Abteilungen gegenüberstanden, die durch einen Offizier höheren Dienstgrades als Leutnant kommandiert wurden. Und auf der Seite der Aufständischen gab es wiederum nur sehr wenige Führungstalente. Es überwogen hier Offiziere und Unteroffiziere voller Enthusiasmus und guter Absichten, denen es aber an einer entsprechenden theoretischen Vorbereitung und Erfahrung in der Führung größerer Abteilungen in unterschiedlichen Bedingungen fehlte. Im Falle der ersten Schlacht von Szubin kann man jede Menge Einwände gegen die Vorgehensweise des Leutnants Kazimierz Grudzielski selbst haben, der für die Gesamtheit der aufständischen Aktionen auf der ihm unterstellten Nordfront zuständig war. Er beging unverzeihliche Fehler: er übernahm nicht persönlich das Kommando über die Aktion (obwohl er das in der bestehenden Situation tun sollte), er legte keinen zentralen Plan der Handlungen fest, kontrollierte nicht den Verlauf der Ereignisse, und schließlich organisierte er nicht rechtzeitig die Reserve, die im Falle eines Misserfolgs bei der Eroberung von Szubin eingesetzt werden könnte. Im Endeffekt schlug der Gegner nach der Abwehr des Angriffs der Aufständischen ins Leere, besetzte Łabiszyn, Żnin, bedrohte den linken nach Nakło gerichteten Flügel. Nur der Schwäche der deutschen Streitkräfte in Bydgoszcz verdankte die polnische Seite das Abbremsen der Gegenoffensive des Gegners und eines eventuellen Marsches der Deutschen nach Süden und Westen.

Vor diesem Hintergrund sollte man die Qualifikationen der Offiziere der deutschen Seite würdigen, die vorwiegend erfahrene Frontsoldaten waren, und die bei der Führung der Soldaten, die, was den Kampfgeist anbelangt, weit hinter den Aufständischen standen, in der Lage waren, wirksam die einzelnen Objekte und Orte zu verteidigen. Als sich die reguläre Armee (das 6. Grenadier-Regiment in Posen und das 140. Infanterie-Regiment in Inowrocław) verteidigte, endete der aufständische Angriff in der Regel mit Misserfolg. Die fehlende Qualifikation der Führungskräfte auf der polnischen Seite wurde durch patriotischen Enthusiasmus, Entschlossenheit, bis zur Selbstaufopferung gehende Tapferkeit und auch durch eine allgemeine, oft enthusiastische Unterstützung seitens der Bevölkerung kompensiert.

Die deutschen Handlungen waren in den ersten zehn Tagen des Aufstandes durch mangelnde Entschlossenheit und Desorientierung gekennzeichnet, was dazu beitrug, dass man nicht immer konsequente Entscheidungen traf. Das Hauptzentrum einer eventuellen deutschen Gegenaktion war Bydgoszcz, und zu entschlossenerem Handeln trieb die Deutschen die Besetzung von Nakło durch die polnischen Abteilungen an. Die Nordfront war damals die Achse der wichtigsten Ereignisse – sowie dort auch die schwersten Kämpfe stattfanden und die Verluste am höchsten ausfielen.

Die Tätigkeit der aufständischen Formationen deckte sich nicht immer mit den politischen Plänen des Kommissariats des Obersten Volksrates. Die aufständischen Soldaten und Befehlshaber eines niedrigeren Dienstgrades begriffen nicht die schwierige Situation der Region, die es sich nicht leisten konnte, vor der Unterzeichnung des Friedensvertrages für vollendete Tatsachen zu sorgen. Daher kam es oft zu Konflikten zwischen den Politikern und den Vertretern der an der Frontlinie kämpfenden Soldaten.

Das Oberkommando hat wiederum von Anfang an ganz entschieden die Organisationstätigkeit entwickelt und ist zum operativen Planen übergegangen. Dies bekundete sich in der Planung des Kampfes um die Flugstation in Ławica am 6. Januar, und dann in der Vorbereitung der Umgruppierung und Konzentration der aufständischen Abteilungen für die Abwehr der durch die Einnahme von Łabiszyn und Żnin durch die Deutschen verursachten Gefahr. Wichtig war auch (schon damals) die Einleitung von organisatorischen Schritten, die eine Umgestaltung der Freiwilligen-Abteilungen in eine reguläre Armee bezweckten. Bis dahin machten nämlich die Aufständischen ihre Teilnahme an den Kämpfen von ihrem eigenen Willen abhängig, unterordneten sich denjenigen Befehlshabern, die sie akzeptierten und hielten das für natürlich, dass sie zur beliebigen Zeit eventuell nach Hause zurückkehren konnten. Als aber die Deutschen anfingen, immer mehr Druck auf die aufständische Front zu machen und zu Offensivhandlungen übergingen, konnte die gesamte bewaffnete Handlung der Großpolen nur dann gerettet werden, wenn in der Region eine starke, gut organisierte, ausgestattete und geführte reguläre Armee gebildet würde. Und diesen Weg beschritt dann auch die politische und militärische Obrigkeit der Region.

Der zweite Teil der spontanen Phase des Großpolnischen Aufstandes fand bis zum 10. Januar 1919 statt. Damals kam schon eine wesentlich bessere Organisation der Handlungen gegen die Deutschen zum Vorschein.