Verlauf der Aufstandskämpfe

KÄMPFE UM RAWICZ (RAWITSCH)

Marek Rezler

Sowohl die beiden Kämpfe um Rawicz (Rawitsch) als auch die etwas früher stattgefundenen Kämpfe in der Umgebung von Poniec und Kąkolewo bildeten einen Teil der Kämpfe an der Süd- und Südwest-Front des Aufstandes. Im Februar 1919 wurde die Südfront, an deren Spitze Leutnant Władysław Wawrzyniak stand, in vier Abschnitte unterteilt: I. (Góra-Abschnitt) – Befehlshaber Leutnant Alfons Breza, II. (Krotoszyn-Abschnitt) – Befehlshaber Leutnant Marian Modrzejewski, III. (Odolanów-Abschnitt) – Befehlshaber Feldwebel Feliks Witecki, IV. (Ostrzeszów-Abschnitt) – Befehlshaber Leutnant Stanisław Thiel. Am 13. Februar übernahm Oberst Adolf Jan Kuczewski das Kommando über die Front. Insgesamt zählten die polnischen Streitkräfte hier etwa 2100 Soldaten. Die Deutschen verfügten auf diesem Abschnitt über die Streitkräfte der Leszno-Garnison, und außerdem befanden sich in der Nähe: das 6. Grenadier-Regiment (früher Posener Regiment, gegenwärtig in Rawicz), das 11. Grenadier-Regiment (aus Wrocław), das 37. Infanterie-Regiment (aus Krotoszyn), das Freiwilligen-Bataillon der Hannoverschen Schützen, 1. Ulanen-Regiment (aus Milcz), 4. Ulanen-Regiment, 5. Kürassier-Regiment, 5. Schwere-Artillerie-Regiment (früher Posener Regiment), ein Infanterie-Bataillon und 2 Feldartillerie-Batterien in Międzyborze, ein Garde-Feldartillerie-Regiment in Twardogóra, Abteilungen aus Kępno, Bralin und Słupia Kapitulna (250 Leute), die Besatzung von Oleśnica. Trotz der großen Zahl von Einheiten muss man feststellen, dass ihre zahlenmäßige Zusammensetzung meist weit von dem Kontingent entfernt war, so dass das Missverhältnis der Streitkräfte doch groß war. Der Beschluss der polnischen Seite, Rawicz zu erobern hatte im Grunde genommen eine emotionale und prestigeträchtige Bedeutung. Die deutschen Streitkräfte in Rawicz und in der Gegend führte General Kurt von dem Borne an. Am 23. Januar 1919 beabsichtigten die Deutschen die Eroberung von Miejska Górka. Der Angriff misslang jedoch, trotz der Artillerie-Vorbereitung, und schließlich fing die deutsche Seite ihre Aktivität auf diesem Abschnitt auf den Beschuss der polnischen Positionen aus Geschützen einzuschränken. Angesichts dieser Lage beschlossen die Polen, Offensivhandlungen einzuleiten, um Rawicz zu erobern. Anfang Februar verfügten sie auf dem Rawicz-Leszno-Abschnitt über: das 6. und 11. Grenadier-Regiment, 37-Füsilier-Regiment, 50. Infanterie-Regiment (Leszno, Rawicz), 56. Leichte-Feldartillerie-Regiment, 5. Schwere-Artillerie-Regiment, 5. Pionier-Bataillon (Leszno). Die Zusammensetzung der polnischen Streitkräfte unterlag keiner Änderung. Gemäß dem durch den Stabschef der Front, Zygmunt Wieliczka, festgelegten Plan, beabsichtigte man Łaszczyn und Dębno Polskie zu erobern, die telegraphischen und Eisenbahn-Verbindungen nach Rawicz zu durchtrennen und dann den Angriff auf die Stadt vor einem eventuellen Entsatz für die Deutschen aus Sarnowa, Bojanowo und Gierłachowo abzusichern. Der endgültige Plan des Angriffs auf Rawicz wurde jedoch durch Leutnant Alfons Breza festgelegt, der damals schon das Kommando über den Rawicz-Abschnitt innehatte. Es wurden drei Stoßgruppen gebildet: Erste Gruppe (etwa 260 Leute): Zakrzew-Kompanie (Befehlshaber Wojciech Kozal, ca. 80 Leute), 1. Jarocin-Kompanie (Befehlshaber Feliks Nadolski, ca. 114 Leute), Jutrosin-Kompanie (ca. 40 Leute), Lubiń-Abteilung (ca. 20 Aufständische). Aufgabe der Gruppe: Rawicz von Norden, von der Region Zakrzewo-Kawcze zu attackieren. Die zweite Gruppe (ca. 330 Aufständische): Góra-Bataillon (Befehlshaber Konstanty Pietruszyński). Aufgabe: Angriff im Bereich des Streifens Żołędnica - Niemarzyn, in Richtung auf Sarnowa ausführen. Dritte Gruppe (ca. 500 Soldaten): Abteilung der Aufständischen u.a. aus: Chojno, Golejewo, Słupia Kapitulna, Zielona Wieś und Koźmin. Aufgabe: von Słupia Kapitulna und Zielona Wieś einen Angriff auf Dębno Polskie, Kąty und Szymanowo auszuführen. Man begann mit dem Angriff in der Nacht vom 3. zum 4. Februar. Trotz des anfänglichen Erfolges, der Besetzung von Łaszczyn und Szymanowo und des Erreichens der Vorstadt von Rawicz, zogen sich die Aufständischen in ihre Ausgangsstellungen zurück. Der erste Kampf um Rawicz endete mit Niederlage. Nach den Ereignissen am 3. und 4. Februar 1919 bereiteten sich beide Seiten zu einem weiteren Gefecht vor. Die Deutschen erhielten Verstärkung von den Abteilungen aus Żmigród, Leszno, und Bojanowo, und kurzfristig auch aus Oborniki Śląskie. Zum Rawicz-Abschnitt zogen auch 500 neue Aufständische heran: 3. Jarocin-Kompanie (Befehlshaber Stanisław Krystofiak), 4. Jarocin-Kompanie (Befehlshaber Alojzy Nowak). Das Kommando über die beiden Jarocin-Kompanien hatte Bronisław Kirchner inne. 2. Pleszew-Kompanie (Befehlshaber Antoni Kozłowicz), 2. Koźmin-Kompanie (Befehlshaber Franciszek Ciesielski). Das Frontkommando beschloss nach den in dem ersten Kampf um Rawicz gemachten Erfahrungen, Rawicz in der Nacht vom 5. zum 6. Februar zu erobern. Man sah also einen Angriff auf einer 6 km breiten Front in zwei Phasen vor: Eroberung von Konarzewo, Łaszczyn und Sarnowa, dann Angriff auf Rawicz von den auf diese Weise gewonnenen Ausgangspositionen. A. Breza hat eigenwillig in diesen Plan noch die Eroberung von Dąbrówka aufgenommen, wodurch er die Angriffsfront nach Nordosten verlängerte – wodurch er einen der grundlegenden Fehler des Kampfes vom 3.-4. Februar wiederholte. Man griff frontal, aus mehreren Richtungen gleichzeitig an. Der Angriff der 2. Koźmiń-Kompanie auf Dąbrówka misslang, trotz der Annäherung vom Dorfrand aus. Die zweite Gruppe, die zentrale, eroberte Sarnówka, und dann, nach einem erbitterten Kampf, auch Sarnowa. Das eroberte Gebiet ließ sich aber nicht halten, zumal das Kommando des Abschnitts es nicht absichern konnte; mehr noch, die Pleszew-Kompanie wurde versehentlich durch die Soldaten der 1. Góra-Kompanie angeschossen, die sich in der Situation nicht sofort orientierten. Indessen nutzten die Deutschen den Umstand, dass die Aufständischen die Eisenbahngleise unversehrt beließen und führten einen Panzerzug in den Kampf hinein. Gleichzeitig startete am 7. Februar ein Gegenangriff der durch diesen Zug unterstützten Soldaten des Hannoverschen-Schützen-Bataillons und des 50. Infanterie-Regiments. Die Deutschen eroberten Sarnowa und zwangen die Aufständischen zum Rückzug aus Sarnówka. Sie wurden erst durch die Kräfte der 3. Jarocin-Kompanie bei Miejska Górka aufgehalten. Im Endeffekt veränderten die beiden Schlachten von Rawicz nichts an der Lage der beiden Seiten. Eine ausgesprochene Inkompetenz der Führung und das Begehen immer wieder derselben Fehler – trotz der gewonnenen Erfahrungen – führten bei den Aufständischen zur Verbitterung und Resignation. Das Góra-Bataillon und die Pleszew-Kompanie gingen fort. An ihre Stelle kam das Śrem-Bataillon (Befehlshaber Stefan Chosłowski), der ca. 550 gut organisierte, ausgestattete, bewaffnete und disziplinierte Soldaten zählte. Währenddessen planten die durch die bisherigen Erfolge ermutigten Deutschen für den 10. Februar einen Angriff auf den linken Flügel des polnischen Abschnittes. Zu diesem Zwecke gruppierten sie in Szymanowo das Bataillon der Hannoverschen Schützen, welches auf Stwolno vorstoßen sollte. Ein Bataillon des 50. Infanterie-Regiments aus der Gegend bei Dębno Polskie sollte Zieloną Wieś attackieren, zwei Kompanien des 6. Grenadier-Regiments aus der Gegend bei Nowa Wieś sollten von Süden aus durch einen Angriff Wydawy erobern. Die letzten Gruppen sollten durch das Kanonenfeuer aus Dębno Polskie, Dębno (früher Dębno Niemieckie (Neudamm)) und Nowa Wieś unterstützt werden. Die polnische Seite erfuhr von einem Kriegsgefangenen von den deutschen Plänen, wonach die Aufständischen bereit waren, den Angriff abzuwehren. Am 10. Februar fügten die Deutschen den Verteidigern durch ihre vorbereitenden artilleristischen Aktionen große Verluste zu. Als sie dann endlich zum Angriff übergingen, gelang es ihnen, Wydawy, Zielona Wieś und Stwolno zu besetzen. Bei Zawady und Słupia Kapitulna boten die durch Marian Szulc und Michał Lorkiewicz angeführten Aufständischen wirksamen Widerstand. Die Deutschen verließen Stwolno und Wydawy, und wurden auch aus Zielona Wieś vertrieben. Im Endeffekt wurden um den Preis blutiger Verluste (ca. 300 Gefallene in den beiden Kämpfen um Rawicz) die bisherigen Stellungen gehalten.

Die Schlussfolgerungen des zweiten Kampfes um Rawicz werden ähnlich ausfallen wie die Bewertung der Kämpfe vom 3.-4. Februar. Es wiederholten sich dieselben Fehler, man war nicht Herr der Ereignisse, die Last des Kampfes und seine Ergebnisse wurden fast ganz auf die Schultern der aufständischen Soldaten geladen. Außerdem fällt es schwer, die taktische Begründung des unternommenen Versuches der Eroberung von Rawicz nachzuvollziehen. In den Orten aus der Umgebung gab es genauso starke deutsche Garnisonen, die eine Gefahr für den Aufstand darstellten, aber man versuchte sie nicht zu attackieren. Ein sehr strenges Urteil fällt für das Frontkommando und das Kommando über den Rawicz-Abschnitt aus, welches die Aktion eingeleitet hat, sie aber später nicht mehr unter Kontrolle hatte. Die Situation rettete erst die starke und disziplinierte Verstärkung, die das Oberkommando schickte. Alfons Bereza wurde abgesetzt, und seine Stelle nahm Oberst Adolf Jan Kuczewski ein.