Aufständische Truppen

Militärische Aspekte des Großpolnischen Aufstandes 1918-1919

Zbigniew Pilarczyk

Professor Jerzy Karwat hat in einem seiner dem Großpolnischen Aufstand von 1918-1919 gewidmeten Texte bei der Beschreibung dieses Ereignisses den Begriff „Irredenta“ verwendet. Es sei an dieser Stelle erinnert, dass es das Streben nach der Befreiung der Nation ist. Aber noch viel wichtiger ist der Zusammenhang in welchem dieser Begriff mit den Befreiungsbewegungen in Italien Ende XIX. Anfang XX. steht, deren Grundabsicht der Zusammenschluss der italienischen Gebiete zu einem einzigen Staat war. Ich wollte daran erinnern, weil bei einem Versuch, den Großpolnischen Aufstand von 1918-1919 in militärischer Hinsicht zu charakterisieren, gerade der Aspekt eines spontanen Kampfes der im deutschen Staat lebenden Polen den Charakter und das Ausmaß des Aufstandes bestimmen würde. Es war schließlich genau diese Form der „großpolnisch-deutschen“ Beziehungen, die die politische und militärische Dimension des Großpolnischen Aufstandes miteinander vereinte.

Man sollte bedenken, dass die Ereignisse gegen Ende des Jahres 1918 sowohl auf lokaler als auch auf europäischer Ebene verdeutlichten, dass sich die Hoffnung auf die Wiedererlangung der Unabhängigkeit auf dem Wege internationaler Verständigung als vergeblich erwies. Das war auf die Gegensätze zwischen den Hauptverhandelnden der Friedenskonferenz, d.h. zwischen Großbritannien und Frankreich zurückzuführen. Ein neues Element dieser Diskussion war sogar die Idee der Befreiung der Gebiete der preußischen Teilungszone mithilfe der Landungstruppen – sog. „Blauer Armee“ unter dem Kommando von General Józef Haller. Ein wichtiges Element dieser Operation sollte ein bewaffneter Aufstand im Teilungsgebiet sein. Es wurde sogar das Datum des Beginns dieser Offensive festgelegt – 19. Dezember 1918. Was interessant ist, der Aufstand sollte durch die Streitkräfte der Polnischen Militärorganisation des Preußischen Teilungsgebietes (Polska Organizacja Wojskowa Zaboru Pruskiego) realisiert werden. Die Rückstände bei den Vorbereitungen, und vor allem der Druck seitens der britischen Diplomaten bewirkten, dass man auf diese Aktion verzichten musste. Man kann sagen, zum Glück, weil nämlich der Einsatz äußerer Streitkräfte – Hallers Armee unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen könnte, von welchen die wichtigste diejenige wäre, dass der Konflikt einen internationalen Ausmaß annehmen würde, was den am 11. November 1918 mühevoll erreichten Waffenstillstand destabilisieren könnte. Diese Idee war meines Erachtens ein Beweis dafür, dass das Bewusstsein der tatsächlichen Situation in der Provinz Posen weit weg von der Wirklichkeit entfernt war.

Das betraf sowohl die französische Seite und das Polnische Nationalkomitee als auch die Leitung der Polnischen Militärorganisation des Preußischen Teilungsgebietes. In Anbetracht der aufkommenden mehr oder weniger realen Ideen für eine Wiedererlangung der Unabhängigkeit auf bewaffnetem Wege haben die führenden Repräsentanten des Obersten Volksrates (Naczelna Rada Ludowa) angefangen zu verstehen, dass die Situation so kompliziert ist – um nicht zu sagen „verworren“ – dass man ernsthaft die Variante eines Aufstandes in Betracht ziehen muss. Diese Überlegungen schlugen sich in der Gründung einer Militärischen Abteilung (Wydział Wojskowy), und später der Sicherheitsabteilung (Wydział Bezpieczeństwa) nieder. Mit militärischen Angelegenheiten im Kommissariat befasste sich Wojciech Korfanty, der zusammen mit Jan Maciaszek im Dezember 1918 in Warschau Gespräche mit den Vertretern des Generalstabes der Polnischen Armee führte. Das Grundproblem bestand darin, einen Offizier höheren Dienstgrades mit entsprechender Erfahrung beim Kommando und bei der Stabsarbeit nach Posen zu beschaffen. Man war sich darüber im Klaren, dass unter den polnischen Konspirateuren diejenigen mit dem höchsten Dienstgrad – Leutnants der deutschen Armee waren, was eine Konsequenz der in dieser Armee geltenden Regel war, dass die Soldaten polnischer Nationalität nicht höher befördert werden durften. Aus der Sicht der militärischen Praxis konnten diese Offiziere höchstens Kompanien anführen. Ein Kandidat für einen zukünftigen Befehlshaber des Aufstandes sollte der General Eugeniusz de Henning-Michaelis sein. Diese Fakten widerstreiten der von Zeit zu Zeit geltend gemachten These, dass der Oberste Volksrat ein entschlossener Gegner des bewaffneten Aufstandes war und dass erst die Entwicklung der Situation Ende Dezember 1918 Anfang Januar 1919 ihn zur Übernahme der vollkommenen Kontrolle über den Aufstand nötigte. Das Kommissariat des Obersten Volksrates, das eine gute Kenntnis der Lage in Posen und Großpolen hatte musste sich dessen bewusst sein, dass die politischen Emotionen eine Stufe erreicht haben, die die Gefahr des Ausbruchs bewaffneter Handlungen in sich barg. Womöglich war man sich der Dynamik und der Reichweite dieser Handlungen nicht bewusst.

Noch im Oktober begann der Prozess der Formierung der Elemente einer künftigen aufständischen Armee. Der erste von ihnen war die Volkswehr (Straż Ludowa), deren erstes Vorbild die im Oktober 1918 entstandene Bürgerwehr (Straż Obywatelska) war. In einer Lage der Eskalation der revolutionären Stimmungen in ganz Deutschland sollte diese Formation die Rolle eines Ordnungsdienstes übernehmen. Von Anfang an war Julian Lange der Befehlshaber der Volkswehr. Anfänglich dienten auch Deutsche in der Volkswehr, aber mit der Zeit dominierten dort die Polen in der Personalzusammensetzung der einzelnen Unterabteilungen. In Posen war Karol Rzepecki ihr Befehlshaber, und Anfang November zählte sie 2130 Freiwillige. Diese Abteilungen wurden von Anfang bis zum Ende mit Uniformen ausgestattet, bewaffnet und sogar durch die deutsche Obrigkeit bezahlt. Am 27. November 1918 wurde die Bürgerwehr in die Volkswehr umbenannt. Es wurde angeordnet, dass die Volkswehr-Abteilungen in dem gesamten preußischen Teilungsgebiet entstehen sollen. Die Existenz dieses Dienstes stärkte der entsprechende Beschluss des sog. Teilsejms (Sejm Dzielnicowy), und am 8. Dezember veröffentlichte die Abteilung für Öffentliche Sicherheit des Obersten Volksrates die „Hinweise für die Volkswehr“. Die Abteilungen unterlagen dem Obersten Volksrat und übten einen Dienst aus, der der Erhaltung der Ordnung und dem Schutz des Eigentums der Staatsbürger dienen sollte, ungeachtet der Nationalität und Konfession. Die Mitglieder der Volkswehr beschützten auch die Handlungen der Landkreis-Volksräte. Die Volkswehr war eine freiwillige Gruppierung und ihre Mitglieder betrachteten den Dienst als eine zusätzliche Beschäftigung neben der beruflichen Arbeit und trugen zwecks Unterscheidung auf ihren militärischen Mützen blaue Mützenbänder. Es wurde festgestellt, dass während des Besuches von Ignacy Jan Paderewski in Posen mehr als 2000 Mitglieder der Volkswehr im Dienst waren. Wenn man noch die in den restlichen Städten Dienenden hinzufügt, dann könnte ihre Zahl im Dezember 1918 etwa 5000 betragen. In die Abteilungen der Volkswehr meldeten sich hauptsächlich die Mitglieder von „Sokół” (Turnverein „Der Falke“) an, aber auch Reservisten, beurlaubte Soldaten, Deserteure und Mitglieder anderer Organisationen. Sehr wichtig ist auch die Information, die besagt, dass aus 42 Kreisen der Provinz Posen in 30 die Volkswehr-Abteilungen organisiert waren. Diese Abteilungen zeigten ihr volles militärisches Potential in den ersten Stunden und Tagen des Aufstandes, indem sie oft die einzige organisierte aufständische Streitkraft darstellten.

So waren die Zeiten, dass fast jede größere Organisation oder Institution eine militärische Streitkraft ins Leben rief, die den Schutz der Mitglieder zum Ziel hatte oder einen Garnisonsdienst. Solche Voraussetzungen begleiteten das Entstehen des Wach- und Sicherheitsdienstes (Służba Straży i Bezpieczeństwa), der einen Organismus darstellte, dessen Schirmherren die Arbeiter- und Soldatenräte waren. Diese Abteilungen sollten zur Hälfte aus Deutschen und zur Hälfte aus Polen bestehen. Die Mitglieder dieser Abteilungen sollten die stark geschwächten Garnisonen der deutschen Truppen stärken. Die führende Rolle bei der Rekrutierungsaktion spielte Mieczysław Paluch und seine Mitarbeiter. Sie waren es, die die deutschen Reservisten, die in die Reihen des Wach- und Sicherheitsdienstes eintreten wollten, dazu agitierten, dass sie nach Hause zu ihren Familien fahren sollen. Man fand sehr schnell eine Methode, um die Paritäten zu umgehen. Man suchte nach Polen mit deutsch klingenden Nachnamen, die dann offiziell diejenigen waren, die das „deutsche“ Kontingent ausfüllten. Letztendlich hat man polnische Namen verdeutscht. Die Rekrutierten Mitglieder wurden in den zwei Posener Forts kaserniert: Prittwitz und Rauch. Einen interessanten Umstand bildete eine aus 117 deutschen Seemännern bestehende Kompanie, die später mit den polnischen in der Kriegsmarine dienenden Seemännern aufgefüllt wurde. Insgesamt gab es in Posen selbst 3000 Mitglieder des Wach- und Sicherheitsdienstes, und in anderen Städten weitere 3000. Es war eine weitere Streitkraft, die auf eine organisierte Weise in den Aufstand eingegliedert wurde.

Am 15. Februar 1918 entstand die Polnische Militärorganisation des Preußischen Teilungsgebietes (POWzp), die die radikalste war, was die geplanten Methoden der Wiedererlangung der Unabhängigkeit angeht. Wincenty Wierzejewski, der Initiator und Anführer dieser Organisation versammelte um sich ältere Pfadfinder und Deserteure aus der deutschen Armee. Diese Organisation war sehr tief konspiriert, weshalb es heute schwierig ist, Informationen über sie zu erhalten, sei es nur solche über die Zahl ihrer Mitglieder. Es ist aber bekannt, dass es eine Kaderorganisation und keine Massenorganisation war. Die Mitglieder der POWzp zeichneten sich durch eine außerordentliche Aktivität aus, und unter ihnen dominierten: Mieczysław Paluch, Henryk Śniegocki, Arkady Fiedler und Mieczysław Andrzejewski, die dann während des Aufstandes eine sehr wichtige Rolle spielen sollten. Die Mitglieder von POWzp realisierten Aktionen der Suche nach Waffen und anderer militärischer Ausrüstung und überfielen oft die Waffenlager (so die Aktion im Posener Arsenal). Mitte November wurde eine Spezialabteilung zugeteilt, die auch Aufklärungs- und Exekutivabteilung hieß, über die Jan Kalinowski das Kommando hatte. Einer der bekanntesten Kämpfer war der kontroverse und sehr unterschiedlich eingeschätzte Stanisław Nogaj. Die Mitglieder von POWzp besetzten viele, vielleicht nicht die exponiertesten, aber wichtige Positionen in der Verwaltung und in der Armee, wodurch sie stets einen guten Überblick über die aktuelle Situation hatten. Dadurch konnten sie blitzschnell reagieren, so wie zum Beispiel bei der Aktion der Blockade bei dem Versuch des Abtransports aus Ławica von etwa 300 Militärflugzeugen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man annehmen kann, dass die polnische Unabhängigkeitsbewegung am Vorabend des Aufstandes über Streitkräfte verfügte, die sich auf 8 bis 10 Tausend Menschen beliefen. Allerdings muss man dem hinzufügen, dass die Hälfte von ihnen unbewaffnet war. An dieser Stelle sei an die Aussage von Stanisław Taczak erinnert, der darauf aufmerksam machte, dass es unter den Aufständischen viele Polen gab, die in der deutschen Armee dienten und die, als sie nach Hause zurückkehrten persönliche Waffen vorschriftsgemäß bei sich führten (oft war es ein Gewehr). Man kann annehmen, dass gerade diese Waffe das „aufständische Grundarsenal“ in den ersten Tagen des Aufstandes bildete.

Was die Größe der deutschen Garnison betrifft, so trifft man in der Literatur unterschiedliche Daten an, die sich im Bereich zwischen 2500 und 4500 Soldaten befinden. Sie waren gut ausgebildet und bewaffnet. Es wird jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass diese Abteilungen ein deutlich geringeres Potential mitbrachten. Generell war die deutsche Armee im Jahr 1918 nicht mehr dieselbe Armee wie noch vor vier Jahren. Der Krieg, der lange Aufenthalt an der Front haben deutliche Spuren hinterlassen.

Die Ereignisse von November und Dezember 1918 bewirkten, dass besonders Posen an das wortwörtliche Pulverfass erinnerte. Die bewaffnete Konfrontation schien unvermeidlich zu sein. Die eine und die andere Seite warteten im Grunde nur auf das Signal, auf eine bestimmte Situation, ja letztlich auf einen Vorfall, der, wie es in der Geschichte oft geschieht zum Funken werden könnte, der das Pulverfass zündet. Trotz der zahlreichen Appelle konnte die Situation in Posen nicht als ruhig betrachtet werden, sondern ganz im Gegenteil. Daher klingt der Inhalt des Tagesberichts des Korpskommandos, der aus Posen nach Berlin geschickt wurde, in welchem versichert wurde, dass in Posen Frieden herrscht, merkwürdig. Als bekannt wurde, dass Ignacy Jan Paderewski am 26. Dezember in Posen ankommen wird, haben die Dinge einen völlig neuen Lauf genommen. Die Deutschen protestierten nicht nur gegen den Besuch – sondern waren am meisten unzufrieden, und geradezu entrüstet, über die Tatsache, dass an dieser Reise eine Mission der britischen Offiziere teilnimmt. Die polnische Seite wiederum, die die Einstellung der deutschen Obrigkeit zu Paderewskis Besuch in Posen kannte, hat in ihrer Sorge um die Sicherheit des Gastes mit der Mobilisierung der Streitkräfte angefangen, die seine Sicherheit garantieren konnten. Am besten konnten diese Rolle die Abteilungen der Volkswehr und des Wach- und Sicherheitsdienstes übernehmen, die man im schnellen Tempo nach Posen kommen ließ. Nicht zuletzt auch die Posener Pfadfinder haben dabei eine wichtige Rolle gespielt, die, obwohl sie illegal tätig waren, sich auf dem Bahnhof uniformiert und vollzählig aufstellten. Nach vielen Hindernissen kam Paderewski am 26. Dezember 1918 um 21:00 Uhr in Posen an und stieg am Posener Bahnhof aus. Am 27. Dezember, morgen früh wurde die Situation in Posen noch komplizierter. Durch die Straßen marschierten unterschiedliche Gruppen polnischer und deutscher Bevölkerung, die entweder ihre Freude oder ihre Irritation anlässlich der Ankunft der Gäste zum Ausdruck brachten. Die Volkswehr-Abteilungen bemühten sich darum, diese Demonstrationen nicht in die unmittelbare Nähe des Hotels „Bazar“ vorzulassen. Jedoch fiel vermutlich gerade hier um 16:40 Uhr der Schuss, der zum symbolischen Anfang des Aufstandes wurde. In den nächsten zehn Minuten entfaltete sich dann eine plötzliche und spontane Ereigniskette. Man kann daher sagen, dass keine der Seiten die Absicht hatte, geplante militärische Handlungen einzuleiten. Allerdings erwies sich damals, dass die langen Jahre der Vorbereitungen, der organischen und der organisatorischen Arbeit, und die Aktivierung unterschiedlicher Kreise sich gelohnt haben. Vermutlich wusste damals niemand, was eigentlich passiert. Allerdings wenn auch niemand sich darüber im Klaren war, so riet doch der Instinkt, dass „man etwas daraus machen sollte“. Wahrscheinlich haben als erste die Kampfgruppen ihre Aktivität entfaltet, dann hat man damit angefangen, alle diese Handlungen in einer Zentrale zu ordnen. Ganz gewiss hat sich die Ausbildung der Unterabteilungen der Volkswehr und des Wehr- und Sicherheitsdienstes als fruchtbar erwiesen. Sicherlich war die ganze Aktivität der Aufständischen eher intuitiv als planmäßig auf die wunden Punkte in der Stadt konzentriert: das Hauptpostamt, die Kasernen, die Banken und die Amtsgebäude. Besonders spektakulär war die Aktion der Eroberung des Gebäudes des Polizeipräsidiums, zum einen wegen dieser Institution und zum anderen wegen der Nähe zum „Bazar“ und dem Gebäude des Kaiser-Friedrich-Museums, wo sehr schnell die Zentrale der Steuerung der Handlungen untergebracht wurde. Man muss aber darauf aufmerksam machen, dass zum ersten Mal während dieser Aktion beschlossen wurde, das Objekt nicht mit Gewalt zu erobern, sondern mit der deutschen Belegschaft die Bedingungen für die Beendigung der Handlungen zu verhandeln.

Ähnlich war es in der Zitadelle, im Fort Grolman, in den Kasernen, was allerdings im Falle der Eroberung der Flugstation in Ławica wirkungslos blieb. Ähnliche Vorgehensweise wurde auch in Großpolen registriert. Es ist ein unglaublich interessanter Zug der Kampfhandlungen des großpolnischen Aufstandes zu dieser Zeit. Oft wurde die Tatsache benutzt, dass es in den Belegschaften dieser Objekte viele Polen gab, die damals in den Reihen der deutschen Armee dienten. An dieser Stelle möchte ich zur Überlegung zurückkehren, die die Zeit des Ausbruches des Aufstandes betrifft. Man muss eingestehen, dass die Mobilisierung der aufständischen Streitkräfte imponierend war. Schon in den Abendstunden kamen in Posen die Abteilungen aus mehreren kleineren Orten aus der Umgebung von Posen, z.B. aus Kórnik an. Am nächsten Tag bemühte sich das Kommissariat des Obersten Volksrates eine Erklärung abzugeben, in der es darauf aufmerksam machte, dass an den Ereignissen auf den Straßen von Posen vom Vortag die „alldeutschen Anstifter“ schuld waren. Es ist auch eine charakteristische Feststellung, dass das polnische Blut bei der Verteidigung der Koalitionsfahnen der verbündeten Staaten vergossen wurde. Zur Beruhigung und Ordnung der Situation in Posen wurde eine polnisch-deutsche Stadtkommandantur mit Jan Maciaszek und Hauptmann […] Andersch an der Spitze einberufen. Man hat einen Ausnahmezustand verkündet und das Tragen von Waffen untersagt. Die Ordnung vor Ort bewachten die Patrouillen der Volkswehr und des Wach- und Sicherheitsdienstes. Es hatte damals den Anschein, dass die Ereignisse, die am 27. Dezember stattfanden, nur ein Zwischenfall waren, und dass sich bald alles normalisieren würde. Diese Haltung gefiel nicht den Anführern der radikalen Kampfgruppen, die eine Ausbreitung der militärischen Handlungen anstrebten.

Großpolnischer Aufstand 1918-1919 war in seinen ersten Stunden, und sogar Tagen eine Summe „lokaler Aufstände“ in der Provinz Posen. In allen dieser Orte wurde der Prozess der Befreiung organisiert. Fast jede der organisierten aufständischen Abteilungen hat sich die Übernahme wichtiger Punkte im gegebenen Ort als Hauptziel gestellt, welche die Kasernen, Polizeidienststellen, Postämter, Verwaltungszentralen u.ä. waren. Als sie das erreicht haben, haben sich viele von ihnen aufgelöst, weil sie dachten, dass sie ihre Pflicht erfüllt haben. Erst später erfolgte, soweit es die Entwicklung der Situation erforderlich machte, eine erneute Mobilisierung. Im Moment als die Aufständischen eine entschiedene militärische und verwaltungstechnische Überlegenheit erreicht haben „übernahm“ das Kommissariat des Obersten Volksrates diesen ganzen Verdienst. Gerechterweise muss man sagen, dass sich das Volksräte-System im Gebiet bewährt hat.

Die Entwicklung des Aufstandes war anfänglich eine Wiederspiegelung der Wirklichkeit der Unabhängigkeitsbewegung in der polnischen Gesellschaft im preußischen Teilungsgebiet. Während dieser weniger Monate vor dem Ausbruch des Aufstandes wurde eine große Gruppe örtlicher, lokaler Anführer „geboren“, aber es fehlte an Zeit, die nötig war, damit unter ihnen jemand erscheint, der in der Lage wäre, das Ganze zu leiten. Um die Errungenschaften der lokalen Anführer und aufständischen Abteilungen zu erhalten war es notwendig, das Ganze zu zügeln und durch eine zentrale Führung und ein Oberkommando zu erfassen. Aus dieser Notwendigkeit heraus, und vielleicht, um nicht das Umfeld zu entzweien, entschied sich das Kommissariat des Obersten Volksrates für den sich gerade zufällig in Posen aufhaltenden Hauptmann Stanisław Taczak, der zwar ein Großpole und ein Berufsoffizier war, aber im Generalstab der Polnischen Armee in Warschau diente. Stanisław Taczak, der einige Tage später zum Major befördert wurde, erhielt die Aufgabe, den aufständischen Stab zu vervollständigen. Das Kommando des Aufstandes wurde im Hotel „Royal“ in der Straße Święty Marcin 38 lokalisiert. Zum Stabschef wurde anfänglich Hauptmann Stanisław Łapiński ernannt, und seit dem 3. Januar 1919 übernahm diesen Posten der aus Warschau entsendete Julian Stachiewicz. Somit musste man im Feuer des Kampfes das System der Führung des Aufstandes aufbauen, angefangen von der Stufe des Oberkommandos. Neben der Berufung des bereits erwähnten Stabschefs wurde sehr schnell eine komplizierte organisatorische Struktur gebildet, die die Erleichterung der Anführung des Aufstandes zum Ziel hatte. Das Kommando wurde sehr gründlich konspiriert, so z.B. vermied man die damals in der Polnischen Armee verwendeten Formulierungen, indem man eine andere Nomenklatur benutzte. Es wurde Stanisław Taczak untersagt, irgendwelche Informationen über die Tätigkeit des Oberkommandos in der Presse oder auch in Form von Flugblättern und Bekanntmachungen zu publizieren. Diese Maßnahmen waren berechtigt, zumal sich der Oberste Volksrat die ganze Zeit bemühte, den Eindruck entstehen zu lassen, dass die seit dem 27. Dezember in Großpolen stattfindenden Ereignisse einen rein spontanen Charakter haben und kein Krieg sind.

Am zweiten Tag des Aufstandes fanden noch einige spektakuläre Aktionen statt. Man übernahm die Zitadelle (Fort Winiary), wo sich eine starke Funkstation befand, deren Übernahme durch die Polen diesen eine störungsfreie Kommunikation ermöglichte. Eine weitere Aktion war die Eroberung des Forts Grolman. Hier spielten die Posener Pfadfinder unter dem Kommando von Wincenty Wierzejewski die Hauptrolle. Die Aktion im Fort Grolman war der Anfang der Legende der 1. Pfadfinder-Kompanie, der aus Pfadfindern bestehenden aufständischen Abteilung. Die Kasernen des 47. Infanterie-Regiments, des 5. Schweren-Artillerie-Regiments, des 20. Leichte-Artillerie-Regiments und die Kasernen der Trossabteilungen wurden kampflos erobert. Viel schlimmer stand es um den Versuch der Eroberung der Kasernen des 6. Grenadier-Regiments.

Die erste ebenfalls am 29. Dezember durchgeführte Attacke misslang. Endgültig wurden die Kasernen am 31. Dezember erobert. Ein kluger Fortschritt seitens der Aufständischen war die Verhaftung des deutschen Kommandos: u.a. Hans Eisenhardt-Rothe, des Oberpräsidenten der Provinz, General Fritz von Bock und Polach, des Befehlshabers des V. Korps und seines Stellvertreters, General Schimmelpfennig. Das bewirkte eine Lahmlegung der Entscheidungsinstanz bei den Deutschen. In den Abendstunden am 28. Dezember fand im „Bazar” eine Besprechung aller Anführer der nationalen Freiheitsbewegung statt. Das Kommissariat des Obersten Volksrates und der Arbeiter- und Soldatenrat waren eher für eine Einschränkung der Kampfhandlungen und für die Intensivierung der Gespräche mit der deutschen Obrigkeit. Dagegen waren Mieczysław Paluch, Bohdan Hulewicz entschiedene Fürsprecher einer maximalen Erweiterung des bewaffneten Kampfes. Und es fehlte auch nicht an dramatischen Momenten. Während der Beratungsgespräche drang in den Saal Roman Wilkanowicz mit den Mitgliedern von POWzp ein und verlangte entschieden nach einer Fortsetzung der Kämpfe.

Die Dynamik der Ereignisse schien diesen letzteren Recht zu geben. Das Kommissariat des Obersten Volksrates war sich darüber im Klaren, dass es entschiedene politische Handlungen einleiten muss, um nicht seine führende Position zu verlieren. Das Problem bestand jedoch nicht darin, wer die Führung übernehmen soll, sondern darin, wie man das einrichten soll. Die Ereignisse vom 27. Dezember 1918 haben die Polen sowohl militärisch als auch taktisch völlig unvorbereitet angetroffen.

Die aufständischen Kämpfe dauerten an. Die örtlichen aufständischen Abteilungen haben sich spontan organisiert und haben oftmals genauso spontan ihre Befehlshaber gewählt. Diese Situation zeugte am besten davon, dass das Programm der Selbstmodernisierung die Prüfung bestanden hat. Die Gesellschaft Großpolens zeichnete sich in diesem Moment durch eine hohe Stufe nationalen Bewusstseins aus, aber auch durch den Zusammenhalt dieser kleinen Gemeinschaften. Wenn man heute den Entstehungsprozess der „aufständischen Armee“ betrachtet, so ist es kaum zu glauben, dass er mit Erfolg abgeschlossen wurde. Wenn man auf die Karte die aufständischen Herde, die Daten und die Richtungen der Ausbreitung der Kämpfe eintragen würde, so erinnern sie an den Effekt eines ins Wasser geworfenen Steins. Und zu diesem sprichwörtlichen Stein wurden die Ereignisse, die am 27. Dezember in Posen stattfanden; und später breiteten sich die Kämpfe kreisförmig über fast ganz Großpolen aus. Sicherlich fehlte es an strategischem Denken, an einem allgemeinen Plan, dessen präzise Realisierung zur Wiedererlangung der Macht, aber, was wichtig ist – noch nicht der Freiheit führen könnte. Großpolen war Ende 1918 Anfang 1919 weiterhin eine Provinz des deutschen Staates. Der Aufstand, oder vielmehr, die Kampfhandlungen wurden mit der Methode der Partisanenkämpfe geführt, und somit mit verhältnismäßig kleinen Abteilungen, weil die damalige aufständische Führungsbelegschaft nur solche anführen konnte.

Eine Ausnahme von der Regel des spontanen Kampfes war die Operation, die die Eroberung der Flugstation in Ławica zum Ziel hatte. Sowohl die Aufständischen als auch die Deutschen waren sich der Bedeutung der Kontrolle über diesen Punkt bewusst. Vor allem war es die letzte militärische Stelle, die in den Händen der Deutschen blieb. Die Station hatte die Funktion einer Ausbildungs- und Reparaturzentrale. Vielleicht stellte sie keine große Streitkraft dar, aber allein schon die Gefahr, dass man unter Verwendung der dort stationierenden Flugzeuge einen Flugangriff auf Posen durchführen könnte war Grund genug, um die zu erobern. Die Aktion in Ławica war ein Beispiel für eine gut vorbereitete und durchgeführte militärischen Operation unter Einsatz unterschiedlicher Einheiten und Dienste. Leider gab es im späteren Verlauf des Aufstandes nur wenige solche Beispiele.

Weil es den Rahmen dieser Abhandlung sprengen würde, eine ausführliche Analyse der Kampfhandlungen vorzunehmen, möchte ich auf ein paar aus der Sicht der sich abspielenden Ereignisse wichtige Angelegenheiten aufmerksam machen. Mit Sicherheit war der die bisherigen Handlungen ordnende Beschluss – der in der Plenarsitzung des Obersten Volksrates vom 3. Januar 1919 verabschiedete Beschluss über die Machtübernahme, der übrigens erst am 8. Januar publiziert wurde.

Zu den Maßnahmen, die mit dem Wunsch zusammenhingen, die bewaffneten Handlungen zu ordnen, gehört der Tagesbefehl vom 5. Januar 1919 über die Unterordnung aller im Gebiet Großpolen, einschließlich Posen kämpfenden Abteilungen dem Oberkommando, und die Bildung von sieben Militärischen Bezirken auf der Grundlage des Befehls vom 7. Januar. Diese Entscheidung hatte sicherlich einen guten Einfluss auf die Organisation der Streitkraft und koordinierte gewissermaßen ihre Handlungen im Gebiet. Das bestätigte auch die Existenz einer aufständischen Armee, und d.h. irgendwelcher nicht näher bestimmter Gruppen, die sich von unten, ohne das Wissen des Kommandos organisierten. Sie bestand aus freiwilligen Abteilungen, aus der Volkswehr und der Gendarmerie – aus Freiwilligen. Man überzeugte sich sehr schnell davon, dass zur Aufrechterhaltung der Dynamik der Handlungen und zur Sicherstellung der zur Realisierung der gesetzten Ziele erforderlichen Streitkraft ein Rekrutierungsapparat eingeführt werden musste. Major Stanisław Taczak war sich darüber im Klaren, dass in dieser Phase des Aufstandes eine allgemeine Rekrutierung möglich ist, schon wegen des Umstandes, dass in vielen Regionen Großpolens die deutsche Bevölkerung in der Überzahl war. Man dachte auch an eine eingeschränkte Rekrutierung der Einberufenen aus den Jahrgängen 1900 und 1901, aber die Realisierung dieser Idee war aus politischen Gründen schwierig und delikat. Schließlich hob man sie für später auf. Das Problem kehrte jedoch zurück, als General Józef Dowbor-Muśnicki das Kommando übernahm. Eine vorübergehende Lösung dieser Frage war die Bildung der Kreiswehrersatzämter, deren Aufgabe die Durchführung der Rekrutierung der Freiwilligen und Anfertigung der Listen sein sollte. Man sollte in diesem Bereich für Ordnung sorgen, zumal das bisherige „System“ der Teilnahme am Aufstand auf keinerlei Regeln gestützt war. Die Folge dessen war, angefangen von der Zwischenkriegszeit und praktisch bis heute, die schwer genau zu bestimmende Zahl der Aufständischen. Die Gewohnheit, dass die Aufständischen die Abteilungen wechselten oder sich nicht auf die Listen eintrugen, wurde beinahe schon zur Norm. Ein Beweis für das Bestehen militärischer Strukturen war die Tatsache, dass die Aufständischen für ihren Dienst Sold in einer Höhe von 30 bis 300 Mark ausgezahlt bekamen. Zusätzlich erhielten sie für jeden Tag Felddienst 1 Mark, und Verheiratete erhielten 2 Mark. Und es wurde auch ein Zusatzgeld für die Kinder ab 13 Mark pro Kind ausgezahlt. Außerdem wurden allen Aufständischen Verpflegung und Unterkunft bereitgestellt. Diese Entscheidungen beendeten in gewissem Sinne die Phase der spontanen Entwicklung des Aufstandes und führten andererseits klare und deutliche Regeln des Handelns der Streitkräfte ein. Weil ich gerade bei organisatorischen Sachen bin, möchte ich an dieser Stelle auf den Versuch der Einführung in die aufständischen Abteilungen der Institution des Soldatenrates aufmerksam machen. Diese Initiative wurde nicht wohlwollend vom Kommissariat des Obersten Rates aufgenommen. Die organisatorischen Angelegenheiten auf zentraler Ebene erforderten eine Vereinheitlichung der Uniform und der Symbolik. In den meisten Fällen diente die Uniform der deutschen Infanterie und Kavallerie von 1910 als Muster für die Uniform der Aufständischen. Im Befehl vom 8. Januar 1919 empfahl das Hauptkommando, an den Militärmützen Metall-Adler (die größtenteils in einem Produktionsbetrieb in … Berlin produziert wurden) und eine weiß-rote Schleife anzubringen. Zusätzlich sollten sich an den Kragen weiß-rote Streifen befinden. Natürlich brachten es die Umstände und die Möglichkeiten mit sich, dass seit der Einführung der Uniform der Großpolnischen Armee eine große Willkür in diesem Bereich herrschte. Trotz aller Maßnahmen seitens des Oberkommandos hatten die Kampfhandlungen einen spontanen Charakter und wurden ohne viel Vorbereitung realisiert, und es fehlte oft an Koordination der einzelnen an der gegebenen Aktion teilnehmenden Elemente. In diesem Zusammenhang war die Vorbereitung unterschiedlicher taktischer Anleitungen, die entweder schriftlich erstellt oder telefonisch übermittelt wurden, ein großer Verdienst des Oberkommandos und von Stanisław Taczak persönlich.

Ende Dezember Anfang Januar 1919 wurde eine Anleitung für die Kommandos der einzelnen Garnisonen in der Sache der Besetzung der Städte und Bahnhöfe ausgearbeitet. Darin wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, solche kritischen Punkte wie Bahnhöfe, Tunnels, Brücken mit Wachen zu besetzen. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass man vor der eventuellen bewaffneten Aktion einen Verhandlungsversuch unternehmen sollte. Wenn man die Texte dieser Anleitungen studiert, entsteht der Eindruck, dass man es mit einem Schnellkurs in Sachen Kommando zu tun hat, bei welchem man die Theorie in der Praxis erlernen konnte. Eine sehr interessante Idee war die Bildung einer aufständischen Armee, angefangen von den kleinsten taktischen Einheiten (Bataillone, Schwadronen, Batterien), um dann zu den zusammengesetzteren (Regimente, Brigaden, Divisionen) überzugehen. Parallel dazu fand organisatorische Arbeit statt, die das Formieren der einzelnen Arten von Waffen und Diensten zum Ziel hatte.

Die Aktivität des Oberkommandos war notwendig, weil sich die erste Phase des Aufstandes durch Rekrutierung Freiwilliger auszeichnete, woraus ein niedriges Niveau des Kommandos aber auch der Disziplin resultierte. Zum wiederholten Male hat sich erwiesen, dass Demokratie in der Armee keine gute Idee ist. Um des sich verbreitenden Aufstandes Herr zu werden, musste Ordnung in diese Handlungen eingeführt werden. Eine weitere Aufgabe, die sich dem Oberkommando stellte, war die Bildung der Front-Kommandos. Es musste eine einheitliche Linie der polnisch-deutschen Front in Großpolen geschaffen werden, um einerseits, die Handlungen zu koordinieren und andererseits, die Errungenschaften zu erhalten. Stanisław Taczak und sein Stab waren sich darüber im Klaren, dass die Siege der Aufständischen der Effekt einer totalen Überraschung seitens der Deutschen waren, und dass sobald diese Phase vorbei ist, man mit einem massiven Konterangriff rechnen muss. Die Zeit wird zeigen, dass diese Befürchtungen begründet waren. In den ersten Januartagen des Jahres 1919 konnte man von der Existenz von vier Frontabschnitten sprechen: des nördlichen, des westlichen, des südwestlichen und des südlichen.

Die infolge der Siege der Aufständischen entstandene Situation war nicht mehr auf eine halb amateurhafte Weise in den Griff zu bekommen. Die Eroberungen mussten bewacht werden, wozu man über größere und besser organisierte Streitkräfte verfügen musste. Das Oberkommando begann einen ziemlich intensiven Prozess der Umgestaltung lockerer Gruppen und aufständischer Abteilungen in einen gut funktionierenden Organismus – die Armee. Stanisław Taczak, der die Position des Oberbefehlshabers übernahm, wendete ein, dass er diese Position als eine vorübergehende betrachtet, bis das Kommissariat des Obersten Volksrates einen Offizier im Rang eines Generals finden wird, der über eine genügend große Erfahrung verfügt und die Kompetenz besitzen wird, die Situation unter Kontrolle zu bringen und weitere Richtungen des Handelns zu bestimmen. Natürlich haben die politischen Aktivisten die ganze Zeit in Warschau wegen dieser Sache Verhandlungen geführt. Ein von Warschau akzeptierter Kandidat war der Divisionsgeneral Józef Dowbor-Muśnicki, ein Offizier mit großer Erfahrung was das Kommando und die Organisation angeht. Es fällt mir aber schwer, der These zuzustimmen, dass Józef Piłsudski als er den General Dowbor-Muśnicki nach Posen schickte eben damit über ihn ein Urteil fällte. Die Umstände legen eine solche Reflexion nahe; denn was konnte ein russischer General bei der Konfrontation mit der preußisch-polnischen Wirklichkeit erwarten. Andererseits war sich Piłsudski des Potentials, das in der aufständischen Armee steckte allzu gut bewusst, welches er für die Realisierung seiner Ziele im Osten verwenden konnte, um so leicht auf sie wegen persönlicher Streitigkeiten zu verzichten. Der General kam am 9. Januar mit einer Gruppe von Offizieren in Posen an und machte sich sogleich an die Arbeit. Er war ein viel zu erfahrener Offizier, um während der fortdauernden Kämpfe tiefgreifende Veränderungen vorzunehmen, weshalb er auch entschied, dass es bei der Organisation der aufständischen Armee nach dem Vorbild der deutschen Armee bleiben soll. Der neue Oberbefehlshaber nahm die Idee seines Vorgängers auf und ordnete eine allgemeine Einberufung an. Am 17. Januar verkündete das Kommissariat des Obersten Volksrates die Einberufung der Einberufenen aus den Jahrgängen 1897-1898. Zum späteren Zeitpunkt umfasste die Rekrutierung noch die Jahrgänge 1895-1896 und 1894 und 1901. Man muss jedoch beachten, dass auf diese Art in die Reihen der Armee viele Aufständische zurückkehrten, die zuvor ihre Abteilungen verlassen hatten. Den älteren Einberufenen wurde ein Dienst in der Volkswehr angeboten. Die offizielle Verkündigung der Einberufung hatte ihre Folgen für die polnisch-deutschen Beziehungen in Großpolen. Den Deutschen wurde klar, dass eine Niederschlagung des Aufstandes unmöglich ist, und das Kommissariat des Obersten Volksrates bemühte sich auf alle möglichen Weisen seine Position in Großpolen zu verteidigen.

Weil es keine Probleme mit der Einberufung der Soldaten gab, so fehlte es dann nur noch an Offizieren. General Józef Dowbor-Muśnicki hat eine Beförderung der Unteroffiziere, die ihre Führungsfähigkeiten unter Beweis gestellt haben, zu den ersten Offiziersgraden vorgeschlagen. Auf diese Weise erhielt man ein paar Dutzend wertvolle und erfahrene Offiziere. Es entstand auch eine Offiziersschule, die in naher Zukunft einen ständigen Zufluss an Personal garantierte. Trotz dieser Entscheidungen gelang es nicht, das Problem endgültig zu lösen. Daher war es notwendig, in die Großpolnische Armee ehemalige Offiziere aufzunehmen, die früher in der russischen und österreichischen Armee dienten. Daraus ergab sich ein weiteres Problem, zumal die Posener Offiziere nicht allzu gerne diesen Stand der Dinge akzeptierten. Es kam sogar zu Konflikten. Der General kam bei den Gesprächen mit dem Kommissariat zum Schluss, dass der Eid ein wesentliches Element der neu entstehenden Armee werden sollte. Nach langen Gesprächen wurde vereinbart, dass die Soldaten dem Kommissariat des Obersten Volksrates und den Befehlshabern Treue schwören sollen, und nach der Wiedererlangung der Freiheit einen durch den polnischen Staat festgelegten Soldateneid leisten sollen. Die Ehre, den Eid abzulegen hatte das 1. Großpolnische Schützen-Regiment am 26. Januar 1919 auf dem Wilhelmsplatz (heute Freiheitsplatz). Als erster hat General Józef Dowbor-Muśnicki den Eid abgelegt.

Alle diese Elemente legten die Fundamente für eine gut organisierte und funktionierende Armee, die im März 1919 die Zahl von 50.000 Soldaten erreicht hat. Dafür war es auch die höchste Zeit, da die deutsche Seite nach der ersten Phase der Überraschung und Niederlage anfing, sich zu reorganisieren und einen Gegenangriff zu planen, der die Wiederherstellung des Zustands vor dem 27. Dezember 1918 bezweckte. Die gebildete Großpolnische Armee musste an die Aufgaben herangeführt werden, die auf sie in der nahesten Zukunft warteten, und d.h. an die Verteidigung der eroberten Positionen. Am 18. Januar 1919 erschien ein operativer Befehl Nr. 1, in dem die Neuaufteilung der Fronten verkündet wurde: Nordfront – von der Grenze Kongresspolens bei Inowrocław bis zum See Jezioro Białe in der Nähe von Czarnków. Der Befehlshaber der Front war Oberstleutnant Kazimierz Grudzielski; Westfront – vom See Jezioro Białe bis zum Obra-Kanal bei Wolsztyn. Der Befehlshaber der Front war Oberst Michał Milewski; Südwestfront, auch „Grupa Leszno“ (Gruppe Leszno) genannt – von Poniec entlang der Grenze der Provinz Schlesien bis zur Grenze mit Kongresspolen. Der Befehlshaber der Front war Oberstleutnant Władysław Wawrzyniak, den nach der Reorganisation der Oberst Jan Kuczewski ablöste. Zur Steigerung der Zügigkeit der Handlungen der Fronten wurde die Zahl der Militärischen Bezirke auf drei reduziert, die territorial den Fronten entsprachen. Eine besondere Rolle kam dem Posener Bezirk zu, der für die Bildung und Erhaltung der operativen Reserve zuständig war, deren Abteilungen in die besonders gefährdeten Abschnitte geschickt werden sollten. Das war der Effekt der in ersten Phase des Aufstandes gemachten Erfahrung, als das System der Verlegung der Einheiten sich bewährte und den Aufständischen Siege einbrachte. Die Befehlshaber der einzelnen Fronten waren für die Einberufung und Organisation der Schützen-Regimenter zuständig, die die Grundstärke der Großpolnischen Armee bildeten. In jedem Bezirk sollten eine aus vier Regimentern bestehende Division, ein Reiter-Regiment und Artillerie-Abteilungen entstehen. Eine wichtige Stärkung der Armee waren die Luftstreitkräfte, die auf der Basis der Flugstation Nr. 4 in Ławica entstanden. Die eingenommene Flugausrüstung und der Kader erlaubten die Organisation von vier Kampfgeschwadern. Ein besonderes Element der Armee waren die Züge und Panzerwagen. Im Dienst der Großpolnischen Armee gab es vier Panzerzüge: „Poznańczyk”, „Danuta”, „Goplana” und „Rzepicha”. Daneben wurden unterschiedliche Arten von Diensten gegründet, die das richtige Funktionieren der Armee sicherten. General Józef Dowbor-Muśnicki hat es geschafft, eine Armee zu organisieren, deren Struktur an die politisch-militärischen Ziele Großpolens in der ersten Hälfte des Jahres 1919 angepasst war. Sie sollte in der Lage sein, die deutschen Armeen abzuwehren und die durch die Aufständischen eroberten Gebiete zu beschützen. Das Potential dieser Armee war so groß, dass man dem Wunsch von Warschau entgegenkommen und an die Ostfront Infanterie-Divisionen und Kavallerie-Brigaden entsenden konnte.

Angesichts des Fiaskos bei den (groß)polnisch-deutschen Gesprächen, die zur Beendigung der Kampfhandlungen führen sollten, beschlossen die in Paris sich beratenden Großmächte selbst die Situation in Großpolen zu prüfen. Zu diesem Zwecke wurde am 22. Januar 1919 eine spezielle Waffenstillstandskommission berufen, die nach Polen reisen und ausgehend von ihren eigenen Beobachtungen und der von beiden Seiten erhaltenen Informationen die definitive Beendigung des polnisch-deutschen Konflikts herbeiführen sollte. Ihre Arbeit begann die Kommission in Warschau, wo sie am 12. Februar 1919 ankam. In der Zwischenzeit beriet die Waffenstillstandskommission vom 14. bis zum 16. Februar in Trier über die Möglichkeit einer Verlängerung des Waffenstillstandsabkommens. Zu den Sitzungen der Kommission wurde auch die deutsche Delegation eingeladen. Die mehrstündigen Verhandlungen endeten mit der Unterzeichnung am 16. Februar eines Abkommens, welches formal die bewaffneten Handlungen im umstrittenen Gebiet aufhielt und der polnischen Seite die durch Polen besetzten Gebiete überließ. Es wurde festgelegt, dass eine Demarkationslinie entstehen sollte, die die Truppen von beiden Seiten nicht überschreiten dürfen. Es wurde auch die Zahl der militärischen Einheiten an der Front festgesetzt, indem man 50 Soldaten pro ein Kilometer Front rechnete. Es wurde auch die Zahl der Artillerieeinheiten auf zwölf jeweils aus vier Abteilungen bestehenden Batterien eingeschränkt. Man legte auch einen 20 km breiten Frontgürtel fest, aus dem man die schwere Artillerie, Panzerzüge, Panzer, Flammenwerfer zurückziehen sollte. In diesem Gürtel war es untersagt, jegliche Schießübungen durchzuführen. Man entschied über einen Austausch der Kriegsgefangenen. Leider wurden diese Bedingungen durch die deutsche Seite nicht akzeptiert, und die beidseitigen Gespräche wurden abgebrochen. Bis zur Festlegung des Friedensvertrages, der den I. Weltkrieg beendete, wurden Gespräche geführt, die über die Zukunft der Gebiete in der preußischen Teilungszone entscheiden sollten. Am 28. Juni 1919 unterzeichnete die deutsche Delegation den Friedensvertrag von Versailles. Von rechtlicher Seite wurden nun alle Hindernisse weggeräumt, die dem Regierungsbezirk Posen auf dem Wege zum Anschluss an die Rzeczpospolita standen. In Wirklichkeit dauerte dieser Prozess aber noch lange. Symbolisch kann man annehmen, dass er am 25.-27. Oktober 1919 endete, als der Staatschef Józef Piłsudski während seines Besuches in Posen den Akt der Übernahme der zivilen und militärischen Macht in den befreiten Gebieten Großpolens vollzog. Davon, wie kompliziert die Situation an der großpolnischen Front sowohl auf diplomatischer Ebene als auch auf der militärischen Ebene soll die Tatsache zeugen, dass es während der hitzigsten Gespräche der polnischen und deutschen Delegation, deren Ziel die Herstellung des Friedens an der Frontlinie war, regelmäßig zu Kämpfen kam, die die Situation beachtlich verändern könnten. Trotz des formalen Waffenstillstandes wurden die Kämpfe weitergeführt. Allerdings nahm ihre Intensität ab und erforderte nicht den Einsatz großer Streitkräfte, aber zum Frieden war noch ein weiter Weg. Dazu gehörten sicherlich die Handlungen bei Rynarzewo, Międzychód, Kargowa, Kępno. Trotz der Existenz der Großpolnischen Armee, deren Organisation und Führungsart auf einem entschieden höherem Niveau waren, stützte sich die Taktik dennoch auf Partisanenaktionen. Im weiteren Verlauf war die großpolnische Front zu lang, als dass man sie auf der ganzen Länge mit Kampfeinheiten besetzen könnte. Die ausgearbeitete Methode der Verlegung einzelner Kompanien und Bataillone, die sich bereits früher bewährt hat, erfüllte auch weiterhin ihre Aufgabe.

Wenn man heute die Situation vor dem Aufstand und die Ereignisse während des Aufstandes sowohl auf politischer als auch auf militärischer Ebene analysiert, so hat man das Recht, bestimmte Gedanken zu formulieren. Im Moment des Ausbruches des Aufstandes, am 27. Dezember 1918, existierte noch kein Plan, weil man die Träume von der Ankunft der „Blauen Armee“ oder die nebulösen Projekte radikaler Unabhängigkeitsaktivisten schwerlich als einen solchen Plan betrachten kann. Vielleich war das ein Glücksfall, dass diese ehrgeizigen, aber wenig realen Pläne mit der Haltung der Aktivisten des Obersten Volksrates kollidierten, die die Entscheidung der Friedenskonferenz in Paris abwarten wollten. Als der Aufstand bereits eine Tatsache war, stellte sich heraus, dass es eine Armee gibt, aber dass die Befehlshaber fehlen. Die aufständischen Truppen und ihre Befehlshaber sind erst während der Kampfhandlungen erschienen, was manchmal tragische Folgen hatte. Es herrscht Einigkeit darüber, dass der Aufstand zwei Phasen hatte. Die erste Phase vom 27. Dezember 1918 bis zum 10. Januar 1919, die oft auch der authentische Aufstand genannt wird - eine von unten sich formierende Bewegung, der sich die politische Macht entgegenstellte. Es ist auch die Zeit, in der die lokalen Befehlshaber erschienen sind, die in der Lage waren, Hunderte von Menschen anzuführen, die bereit waren, sich kämpfend am Aufstand zu beteiligen. Die zweite Phase ist die vom 10. Januar 1919 bis zum 16. Februar 1919, es ist die Zeit des Krieges an der großpolnischen Front, der durch die Großpolnische Armee, eine moderne und gut organisierte Armee, realisiert wurde.

Der Erfolg des Aufstandes ist darin zu sehen, dass er mehr oder weniger zufällig unter sehr günstigen Umständen in Europa und in Polen stattfand. Ein ungeheuer wichtiges Element war der Kampfgeist der kämpfenden Seiten. Ich bin jedoch nicht mit der einseitigen Bewertung einverstanden, dass dieser Kampfgeist größer auf der Seite der Aufständischen und kleiner auf der Seite der deutschen Soldaten war. Die Wahrheit liegt für gewöhnlich irgendwo in der Mitte. So gab es auf beiden Seiten Beispiele für fehlende Disziplin und Willkür, aber auch auf beiden Seiten kompensierte die moralische Haltung eine mangelhafte militärische Ausbildung oder eine schwache Führung. Wie sehr man den Großpolnischen Aufstand mythisieren mag, eine gründliche Analyse der Situation lässt uns zum Schluss kommen, dass er auf längere Sicht ohne Aussichten auf Sieg wäre. Im Frühling 1919 könnten die bewaffneten Handlungen zum Anlass für einen offenen Krieg zwischen Polen und Deutschland werden. Die bekanntgemachten Pläne der einen und der anderen Seite erlauben die Aufstellung dieser These. Erst der Waffenstillstand von Trier und dann der Friedensvertrag von Versailles bewirkten, dass alle Gebiete von Rzeczpospolita (mit kleinen Ausnahmen) sich der Freiheit erfreuen konnten.