Aufständische Truppen

GROSSPOLNISCHE LUFTSTREITKRÄFTE UM 1919

Marek Rezler

Gegen Ende des Jahres 1918 stationierte in Posen (schon seit 1913) die 4. Flieger-Ersatz-Abteilung Nr. 4, die sich hauptsächlich mit der Reparatur von Flugzeugen und der Durchführung von Pilotenausbildungen beschäftigte; es war kein Flughafen für Kampfeinsätze. Zur Besatzung gehörten die Soldaten deutscher und polnischer Nationalität. Außerdem wurde in Posen nach der Entfernung der Luftschiffe aus der Halle in Winiary in diesem Raum ein Lager mit Flugausrüstung eingerichtet. In der deutschen Armee dienten die Polen auch in den Luftstreitkräften, manche von ihnen, u.a. Pilot Feldwebel Wiktor Pniewski, waren seit 1918 Mitglieder der Polnischen Militärorganisation des Preußischen Teilungsgebietes (Polska Organizacja Wojskowa Zaboru Pruskiego). Und auch er fing während seines Dienstes in der 4. Flieger-Ersatz-Abteilung Nr. 4 an, Kontakt mit den in Ławica dienenden Landesgenossen aufzunehmen; bis Mitte Dezember standen bereits fünf Piloten, zwei Beobachter und mehr als 30 für den technischen Service zuständige Soldaten unter Pniewskis Einfluss.

Nachdem Posen Ende Dezember 1918 durch die großpolnischen Aufständischen eingenommen wurde, war die einzige Bedrohung für die Stadt die Fliegerstation in Ławica. Am 6. Januar, an einem Morgen wurde die Fliegerstation durch eine organisierte Aktion erobert. Die Aufständischen konnten 30 Flugzeuge (ein Teil von ihnen war flugbereit), viele Ersatzteile, Motoren und Flugzeugmunition erbeuten. Zuvor wurde kampflos die Zeppelin-Halle in Winiary erobert, wo sich etwa 200 in Teile zerlegte Flugzeuge befanden; diese Vorräte, die die Bedürfnisse der aufständischen Truppen ganz entschieden überschritten, haben im höheren Maße für die Ausrüstung der Luftstreitkräfte des polnischen Staates gedient. Die flugbereiten Maschinen wurden sogleich für den Einsatz vorbereitet, an den Flügeln und Rümpfen erschien das polnische Fliegerzeichen: das weiß-rote Schachbrett, welches das deutsche Kreuz-Zeichen ersetzte. Am 7. Januar flog ein Flugzeug mit solcher Kennzeichnung über Posen. Zum ersten polnischen Kommandanten der Station wurde formal (kraft des Befehls des Oberkommandos Nr. 2 vom 7. Januar 1919) Oberleutnant Protazy Kadzidłowski ernannt, in Wirklichkeit aber war es Feldwebel (später Leutnant) Wiktor Pniewski.

Die frühere „Flieger-Ersatz-Abteilung Nr. 4” wurde in die „Fliegerstation in Ławica” umbenannt. Mit den Fliegerangelegenheiten im Oberkommando befasste sich seit dem 6. Januar 1919 die Abteilung für Flugwesen (Departament Lotnictwa), deren Leiter der Beobachter Leutnant Jan Stempniewicz wurde. Endgültig wurde die Frage des Kommandos der Luftstreitkräfte in der Großpolnischen Armee im Januar 1919 geregelt, nachdem General Józef Dowbor Muśnicki sein Amt als Oberbefehlshaber angetreten ist: am 18. Januar wurde vorübergehend der Pilot Leutnant Jerzy Dziembowski zum Befehlshaber der Fliegerstation in Ławica ernannt, und am 22. Januar wurde der Pilot Oberst Gustaw Macewicz, ein ehemaliger Offizier des 1. Polnischen Korps in Russland zum Befehlshaber.

Anfänglich, in den ersten Tagen nach der Besetzung der Fliegerstation in Ławica zählten die polnischen Luftstreitkräfte in Posen 5 Piloten, 2 Beobachter und 32 Fluggerätmechaniker. Aber bereits im Februar waren es 21 Piloten, 19 Schüler-Piloten, 1 Beobachter und 20 Flugzeugschützen. Das Kontingent der Luftstreitkräfte wurde am 31. Januar 1919 genehmigt. Anfänglich erinnerte die Organisation an die Struktur der Landstreitkräfte. Der Kommandant der Station (im Status eines Bataillons) war der Pilot Feldwebel Wiktor Pniewski. „Wojska Lotnicze“ (die Luftstreitkräfte) (diese offizielle Bezeichnung nahm man in der Struktur der Großpolnischen Armee auf) bestanden aus vier Kompanien: 1. Fliegerkompanie – Befehlshaber Pilot Feldwebel Józef Mańczak, 2. Werkstattkompanie (Franciszek Gruszkiewicz), 3. Wachtkompanie (Józef Szyfter), 4. Rekrutenkompanie. Mit der Zeit übernahm die 1. Kompanie die Funktion einer Fliegerschule, die die Piloten und Beobachter vorbereitete. Im August 1919 entstand in Ławica eine Pilotenhochschule, und seit Februar 1919 funktionierte in Ławica auch eine Beobachterhochschule. Es wurde gesondert eine Werkstattschule ins Leben gerufen, die in eine Fluggerät-Service-Schule (Szkoła Obsługi Lotniczej) umgestaltet wurde. Posen war zu dieser Zeit einer der wichtigsten Zentren der Ausbildung der Militärpiloten im Lande. Insgesamt wurden: die 1. Großpolnische Feldstaffel, die 2. und 3. Fliegerstaffel und die 4. Großpolnische Kampfstaffel gegründet. Die 1. Großpolnische Feldstaffel wurde am 12. Februar 1919 ins Leben gerufen, und an ihrer Spitze stand Wiktor Pniewski. Ab dem 14. März wurde die Staffel dem Befehlshaber der Großpolnischen Gruppe untergeordnet, die damals in der Gegend bei Przemyśl tätig war. Nach unterschiedlichen Veränderungen in der Zuteilung wurde sie dann Teil der II. Fliegergruppe, und ab dem 13. April 1920 wurde sie in die 12. Aufklärungsstaffel umbenannt.

Die 1. Fliegerstaffel (später 1. Feldstaffel, 1. Großpolnische Staffel) zählte fast zweihundert Leute, der technische Service zählte 3 Offiziere, 25 Unteroffiziere und 115 Soldaten, verfügte über Werkstätten, vier Fahrzeuge und ein Motorrad für den Meldegänger. Man flog mit den Flugzeugen Albatros C V, Albatros C VII, D.F.W und AEG. Ab März bis Juni 1919 war die Staffel in der Umgebung von Przemyśl tätig. Später stationierte sie auf dem Landeplatz Wojnowice bei Buk und ihre Piloten führten Aufklärungsflüge in der Region von Chodzież, Piła und Babimost aus.

Die 2. Großpolnische Fliegerstaffel entstand am 14. Februar 1919 in Posen; Befehlshaber: Pilot Rittmeister Tadeusz Grochowalski. Es wurden Flugzeuge vom Typ Halbestadt CL II, Halberstadt CL V und Albatros D. III verwendet. Anfang April wurde sie in die Region von Nowe Miasto nad Wartą (Neustadt an der Warthe) geschickt, mit dem Flugstützpunkt in Klęka; in diesem Zeitraum stand an der Spitze der Staffel Leutnant Edmund Norwid-Kudło. Sowohl T. Grochowalski als auch E,. Norwid-Kudło stammten aus dem 1. Polnischen Korps, die restlichen Mitglieder der Besatzung waren gebürtige Großpolen. In der 2. Großpolnischen Staffel dienten der Pilot Feldwebel Łukasz Durka und der Beobachter Feldwebel Kruszona, die beim Flugeinsatz im Mai 1919 bei Nowe Miasto gefallen sind – es waren die ersten Flieger der Großpolnischen Streitkräfte, die bei der Ausübung ihres Dienstes umgekommen sind. Im Mai 1919 führte die Staffel Propagandaflüge nach Oberschlesien aus. Im nächsten Monat führten die Piloten der Staffel Flugaufklärung an der Nordfront durch, und zwar flogen sie von Kruszewica aus nach Bydgoszcz und Toruń. Ab August 1919 engagierten sich die Piloten und Beobachter der Staffel bei den Kämpfen an der Ostfront, unter dem Kommando von General Stanisław Szeptycki, und im Rahmen der I. Fliegergruppe.

Die Großpolnische Flieger-Feldstaffel wurde am 6. März 1919 gebildet und engagierte sich bei den Gefechten im Gebiet Großpolens, zur Zeit des Waffenstillstandes: bis Juni und von September bis Oktober 1919. Diese großpolnische Fliegereinheit hatte ihren Stützpunkt auf dem Landeplatz Góra, in der Nähe von Jarocin. Die Piloten haben Propagandaflüge nach Oberschlesien ausgeführt. Die zwei Besatzungen: Pilot Feldwebel Władysław Wrembel und Pilot Beobachter Marian Skorzyński sowie und Pilot Leutnant Wiktor Lang und Beobachter Feldwebel Jan Kasprzak wurden erschossen, und eine weitere Besatzung geriet in deutsche Gefangenschaft. Ab Juni bis August 1919 war die Staffel in der Ukraine tätig, kehrte dann nach Großpolen zurück und blieben auf dem Landeplatz in der Gegend von Buk. Ihre Piloten führten Aufklärungsflüge in der Gegend von Nakła und Piła aus. Am 25. Mai 1919 wurde die

4. Großpolnische Kampfstaffel – Jagdstaffel formiert, die durch den Piloten Oberleutnant Jerzy Dziembowski angeführt wurde. Sie stationierte in Ławica und stand erst dem Oberkommando der großpolnischen Streitkräfte und später dem Oberkommando der Polnischen Armee zur Verfügung. Es war vor allem eine Ausbildungseinheit, die mit den Flugzeugen vom Typ Fokker D VII, Fokker E. V, Albartos D III (Oeffag) flog; im Juli 1919 wurden aus Frankreich die Flugzeuge Spad geliefert. Am 20.07.1921 wurde in Posen das 3. Flieger-Regiment formiert, welches in den Kasernen und am Flughafen der ehemaligen 4. Flieger-Ersatz-Abteilung stationierte.