Waffenstillstand von Trier 1919

Sieg der gerechten Sache

Piotr Grzelczak

„Marschall Foch hat mit einem einzigen Federstrich die ehrgeizigen und gefährlichen deutschen Pläne mit einem kategorischen: bis dahin, und nicht weiter! durchkreuzt“ – schrieb im Februar 1919 „Dziennik Poznański” („Posener Tageszeitung“). Vor 100 Jahren wurde in Trier der Waffenstillstand geschlossen, der den Großpolnischen Aufstand beendete.

Der unbestrittene Erfolg, an den man bei der Begehung der Feierlichkeiten des hundertsten Jahrestages des Ausbruches des Aufstandes zurückdenkt und der sie begleitende Stolz auf den Dezember-Sieg bewirken, dass wir oft den weniger aufsehenerregenden und die Diskretion liebenden diplomatischen Kampf, der in der ruhigen Abgeschiedenheit der Politbüros und in den Quartieren der Geheimdienste geführt wurde, vergessen. Im Falle Großpolens begann diese wissenschaftlich nur schwer erfassbare, hinter den Kulissen stattfindende Konfrontation de facto bereits… am 11. November 1918, als kraft des den I. Weltkrieg beendenden Waffenstillstandabkommens in Compiègne, die Gebiete der preußischen Teilungszone, zumindest bis zum Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung auf der Friedenskonferenz, ein integraler Teil Deutschlands bleiben sollten. Dies war im hohen Maße das Ergebnis der persönlichen Verhandlungsniederlage des Marschalls F. Foch, der auf die Initiative der führenden Vertreter des in Frankreich tätigen Polnischen Nationalkomitees hin vorgeschlagen hatte, dass die besiegten Deutschen ihre Truppen im Osten hinter die Linie der ersten Teilung Polens von 1772 zurückziehen sollen, wogegen sich jedoch wirksam die britischen Koalitionspartner wehrten. Das alles hatte zur Folge, dass der Großpolnische Aufstand aus der völkerrechtlichen Perspektive den Charakter einer ausschließlich innerdeutschen Rebellion im Regierungsbezirk Posen annahm, was wiederum die perfekt organisierte deutsche propagandistisch-desinformierende Maschinerie zu entsprechenden umfassenden Maßnahmen veranlasste. Ganz im Sinne dieser Maßnahmen, die im Januar und Februar 1919 in Berlin vorbereitet wurden, kämpften die Deutschen nicht in einem Aufstand gegen die Polen, sondern „schützten nur ihre Bürger in ihrem Hoheitsgebiet [!]“, wodurch sie auf diese Weise… die Bestimmungen von Compiègne befolgten.

Die Bestimmungen des Waffenstillstandsabkommens wurden für knapp einen Monat unterschrieben und sollten durch gesonderte Verhandlungen zwischen der Entente und den Deutschen erneuert werden. Und weil es im Dezember 1918 und im Januar 1919 der deutschen Seite gelang, ohne größere Komplikationen den status quo des Waffenstillstands aufrechtzuerhalten, entfachte schon im Februar auf dieser Ebene eine wahre Schlacht darum, dass die deutsch-großpolnische Front durch den Waffenstillstand erfasst werden sollte. Dazu trugen die militärischen Erfolge der großpolnischen Aufständischen, angesichts welcher die westlichen Alliierten nicht gleichgültig bleiben konnten. Ein weiterer die polnische Sache auf internationaler Arena stärkender Faktor war die Tatsache, dass zu ihren Gunsten nicht nur das im unmittelbaren Kontakt mit dem Volksrat (Rada Ludowa) verbleibende – Polnische Nationalkomitee (Komitet Narodowy Polski), sondern auch der im Westen Europas akzeptierte neue Premier und Außenminister des widererstandenen Polens – Ignacy Jan Paderewski Lobbyarbeit betrieb. Nicht ohne Einfluss auf den Verlauf der für Februar geplanten Waffenstillstandsverhandlungen blieb letztlich auch die Haltung der deutschen Behörden, die selbst die gegenüber dem Kampf der Polen eine zurückhaltende Haltung einnehmenden Briten wirksam gegen sich aufbrachten. Das Fass brachte die deutsche Antwort auf die im Grunde genommen sanfte Note der britischen Regierung vom 8. Januar 1919 zum Überlaufen, in der an die Deutschen appelliert wurde, sie sollen sich von „jeglichen Provokationen der polnischen Bevölkerung in Ost- und Westpreußen, in der Provinz Posen und in Schlesien zurückhalten“. Die deutsche Regierung, die wahrhaftig den nüchternen Blick auf die Lage verlor, „unangenehm überrascht“, schrieb eine Woche später nach London zurück, dass sie nicht länger die Situation tolerieren wolle, in der die polnischen Bürger des Deutschen Reiches „eine Rebellion, ein Verbrechen gegen das Vaterland und einen Hochverrat vorbereiten“, und dass in der Provinz Posen… „eine ungebändigte Zügellosigkeit des unersättlichen polnischen Imperialismus [!]“ herrsche. Somit fühle sich das Deutsche Reich dazu genötigt „ähnlich wie seinerzeit die englische Regierung in Irland – militärische Mittel zu ergreifen, und zahlreichere Streitkräfte zur Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung einzusetzen“. Der in der zitierten Note direkt zum Ausdruck gebrachte Hochmut und die deutliche Anspielung auf Irland verriet eine deutliche Veränderung in der Politik des Dritten Reiches im Osten, wovon ganz ausdrücklich die Verlegung des Oberkommandos der deutschen Armee aus Kassel nach Kołobrzeg (Kolberg) zeugte.

Die Gesamtheit der beschriebenen Angelegenheiten bewirkte, dass Ende Februar 1919 die Augen aller kämpfender Großpolen auf Trier gerichtet waren, wo ohne die Teilnahme Polens eine erneute Sitzung der Waffenstillstandskommission stattfand. Die an diesen Tagen an der Mosel herrschende Verhandlungsspannung und der sehr hohe Einsatz der Verhandlungen, nämlich die Beendigung des Aufstandes in der Provinz Posen und die „Legalisierung“ seiner territorialen Errungenschaften, spürte man ganz deutlich in Posen („Kritische Tage!“ – schrieb „Dziennik”). Die Gefahr eines Abbruches der Gespräche und der sehr reale Ausbruch eines Konflikts auf der Linie Entente-Deutschland waren damals so wahrscheinlich wie nie zuvor. Die deutschen Diplomaten erlagen schließlich dem Druck des ihnen durch den Hauptschöpfer der Verhandlungsstrategie der Alliierten – Marschall F. Foch gestellten Ultimatums. Er drohte nämlich, am 16. Februar 1919 abends Trier zu verlassen, was angesichts des Erlöschens des bisherigen Waffenstillstands (um fünf Uhr morgens) am darauffolgenden Tag eine Wiederaufnahme der Kriegshandlungen bedeuten würde. Letztendlich räumte die deutsche Seite das Feld und noch am selben Tag wurde das Dokument signiert, welches das Waffenstillstandsabkommen von Compiègne auf eine unbestimmte Zeit verlängerte, wobei man seinen Inhalt um ein für das kämpfende Großpolen wichtiges Kapitel erweiterte, dem zufolge das Deutsche Reich „unverzüglich alle Schritte gegen Polen in der Provinz Posen einstellen sollte“, den ihr unterstellten Streitkräften wurde wiederum verboten, die Demarkationslinie entlang der deutsch-großpolnischen Front zu überschreiten. Das bedeutete im Grunde eine formale Anerkennung des Ergebnisses des Großpolnischen Aufstandes durch die westlichen Großmächte, eine Befreiung der Provinz Posen von der deutschen Obrigkeit, und öffnete den Weg zu dem durch alle Posener heißersehnten Vaterland.