Verlauf der Aufstandskämpfe

KÄMPFE AN DER NORDFRONT ZWISCHEN KCYNIA (EXIN) UND ŁABISZYN (LABISCHIN) 21. Januar–17. Februar 1919

Marek Rezler

In der zweiten Januarhälfte und ersten Februarhälfte des Jahres 1919 wurde der Kampf besonders intensiv an der Nordfront geführt, zwischen Kcynia (Exin) und Łabiszyn (Labischin). Somit wurde diese Richtung von besonderer Bedeutung für die Erhaltung der Errungenschaften des Aufstandes überhaupt. Um die polnische Verteidigung zu durchbrechen, haben die Deutschen etwa 3 tausend gut ausgerüstete und ausgestattete Soldaten zum Einsatz gebracht. Durch einen Angriff im Gebiet zwischen Kcynia und Łabiszyn wollten die Deutschen die Verteidigung der Aufständischen durchbrechen und in die Tiefe Großpolens, in Richtung Gniezno, vordringen. Der Kampfgeist der Armee war nicht besonders groß, und außerdem verzögerten der Arbeiter- und Soldatenrat von Bydgoszcz und das örtliche Grenzschutz-Kommando die Handlungen und erschwerten den Lebensmittel-Transport. Der deutsche Angriffsplan sah wie folgt aus.

Die Gesamtheit der Streitkräfte wurde in vier Stoßgruppen und eine Reserve aufgeteilt.

  1. Erste Gruppe: IV. Grenzschutz-Bataillon (Befehlshaber Just).

Aufgabe: Besetzung von Chmielniki, Kontaktaufnahme mit dem rechten Flügel der eigenen Streitkräfte, Angriff auf Antoniewo und Nowa Wieś Wielka. Diese Aktion sollte von der Grundrichtung des Angriffs ablenken.

  1. Zweite Gruppe: I. Grenzschutz-Bataillon (Befehlshaber Major Schemmel),

II. Grenzschutz-Bataillon (Befehlshaber Major von Meisel).

Aufgabe: Kcynia attackieren und erobern.

  1. Dritte Gruppe:

(?) Abteilung des 14. Infanterie-Regiments (aus Bydgoszcz) – Befehlshaber Rittmeister Scholl,

Abteilung des Oberleutnants Greiffenberg.

Aufgabe: Eroberung von Szubin.

  1. Vierte Gruppe:

– IV. Grenzschutz-Bataillon,

Freiwilligen-Matrosen-Abteilung (Befehlshaber Oberleutnant Parsenow).

Aufgabe: Einnahme von Rynarzewo.

  1. Reserve: II. Grenzschutz-Bataillon (Befehlshaber Hauptmann Huber).

Das Kommando bei der Offensive hatte General von Belov.

Die Deutschen planten es, den polnischen Schutz zu durchbrechen und drei Hauptorte-Stützpunkte zu erobern: Kcynia, Szubin und Rynarzewo. Das war gezieltes Handeln, zumal 3 tausend Leute, über die Belov verfügte (de facto war es zahlenmäßig betrachtet kaum ein Infanterie-Regiment mit Kampfzusammensetzung, welches dazu noch uneinheitlich war und hinsichtlich der Qualität bedeutend von der regulären Formation abwich), nicht in der Lage waren, eine Offensive an einer 25-Kilometer messenden Front durchzuführen. Die Einnahme der wichtigsten Orte in dieser Region erlaubte eine Bildung der eigenen Stützpunkte für den weiteren Angriff in Richtung Gniezno, und garantierte außerdem eine sichere Rückendeckung im Falle eines erfolgreichen Vorstoßes.

Dem polnischen Nachrichtendienst gelang es, Informationen über die Pläne der deutschen Seite abzufangen. Der Befehlshaber der Nordfront, Oberstleutnant Kazimierz Grudzielski hatte somit Zeit, die Verteidigung vorzubereiten. Zu diesem Zwecke wurde das gefährdete Gebiet in sieben Abschnitte aufgeteilt:

erster Abschnitt Inowrocław – Befehlshaber Leutnant Paweł Cyms,

zweiter Abschnitt, Łabiszyn und

dritter Abschnitt, Szubin, unter gemeinsamer Führung von Hauptmann Jan Tomaszewski,

vierter Abschnitt, Kcynia – Befehlshaber Leutnant Konrad Golniewicz,

fünfter Abschnitt, Margonin – Befehlshaber Maksymilian Bartsch,

sechster Abschnitt, Chodzież – Befehlshaber Oberleutnant Włodzimierz Kowalski,

siebter Abschnitt, Czarnków – Befehlshaber Leutnant Michał Zenkteler.

Im Lichte der deutschen Pläne waren am meisten die ersten vier Abschnitte gefährdet.

Das Kräfteverhältnis war sehr ungünstig für die Aufständischen. Auf einen Aufständischen fielen drei deutsche Soldaten zu, und außerdem bestand ein großes Missverhältnis in der Bewaffnung und Ausrüstung mit Maschinenwaffen und Artillerie. Die Lage verbesserte sich am 21. Januar, als die Nordfront Verstärkung von der Schwere-Maschinengewehre-Kompanie bekam (Befehlshaber Leutnant Józef Trawiński) und von der (?) Artillerie-Abteilung (Befehlshaber Leutnant Edmund Zagrodzki) bekam. Außerdem nutzten die Aufständischen die freie Zeit zwischen den Kämpfen für die technische Absicherung der Verteidigung und für die Verstärkung der Deckung bei den Überquerungen in Antoniewo und Dębionka. Die genauen Richtungen der deutschen Angriffe waren nicht bekannt, daher bereitete man sich zu einer eventuellen mobilen Verteidigung vor, indem man auf die Organisation entsprechend starker Reservetruppen Nachdruck legte.

Schließlich beschloss die polnische Seite, die Initiative zu übernehmen und eine Reihe von Punkten im Gelände und in der Ortschaft einzunehmen, was den Deutschen erschweren sollte, den Angriff weiterzuentwickeln. Gemäß diesem Plan besetzten Hauptmann Jan Tomaszewski und Leutnant P. Cyms Brzoza – in Kürze musste man sich aber von dort zurückziehen, wegen einer Gegenaktion des Grenzschutz-Bataillons, welches in den deutschen Plänen die erste Stoßgruppe der vorgesehenen Operation bildete. Dieselbe Gruppe zog nach der Besetzung von Brzoza weiter nach Antoniewo. Der entschlossen durchgeführte Angriff des Bataillons unter Hauptmann Just, mit der Unterstützung des Artillerie-Feuers, war anfangs effektiv, so dass die diesen Abschnitt verteidigende Barcin-Kompanie in Panik die eingenommenen Stellungen verließ.

Das sich zum Angriff auf Nową Wieś vorbereitende Grenzschutz-Bataillon wurde erst durch das Feuer aus schwerem Maschinengewehr von Feliks Dziennik, und durch den durch das Kanonenfeuer unterstützten Gegenangriff der Kompanie unter Leutnant Tadeusz Fabian, die bislang in der Reserve blieb, aufgehalten.

Am 23. Januar überquerten die Deutschen die Netze in der Umgebung von Rudy – wurden aber abgewehrt. Seitdem veränderte sich der Charakter des Kampfes auf dem gesamten Frontabschnitt von Kcynia bis Łabiszyn, es wurde nun eine Reihe von lokalen Gefechten ausgetragen, die durch die Aufständischen mit unterschiedlichem Erfolg geführt wurden. Erst zwischen dem 28. und 30. Januar führten die Deutschen alle vier Gruppen in die Aktion ein. Schon damals kam es zu schweren Kämpfen in der Umgebung von Nowa Wieś.

Am 1. Februar gelang es den Deutschen erneut, die Netze zu überqueren und Szubin, Rynarzewo und Łachowo einzunehmen. In dieser Situation beschloss man einen Gegenangriff auf Rynarzewo unter Einsatz von drei Kompanien durchzuführen:

der Kompanie unter dem Kommando von Leutnant Tadeusz Fabian: entlang der Straße Szubin-Rynarzewo,

der Kompanie unter dem Kommando von Leutnant Władysław Wlekliński und des Zugunteroffiziers Wincenty Pluciński: Angriffsrichtung Rudy–Florentynowo–Rynarzewo,

der Kompanie unter dem Kommando von Józef Dratwiński: Angriffsrichtung Dębionka.

Die Kämpfe um Rynarzewo fanden am 2. und 3. Februar statt; dieser Ort wechselte mehrfach „seinen Besitzer“. Endgültig fiel er der polnischen Seite zu.

Am 3. Februar verteidigten die Aufständischen sehr einfallsreich Kcynia. Es gelang ihnen nicht nur, durch Feuer den Angriff der Deutschen aufzuhalten, sondern man umfasste den Gegner und zwang das Bataillon unter Major Meisel zum Rückzug, mit großen Verlusten; die Polen erbeuteten dabei u.a. 6 Kanonen.

Es lässt sich feststellen, dass seitdem der deutsche Angriff deutlich an Schwung verlor. Es fanden noch Kämpfe in der Umgebung von Zamoście, Antoniewo, Brzoza, Rosko, Wrzeszczyna, Romanowo und Walkowice statt, die aber nicht mehr viel an der allgemeinen Frontordnung verändert haben. Am 3. und 4. Februar besetzten die Deutschen unerwartet (trotz der vorangegangenen Vereinbarungen) Chodzież und Margonin. Am 7. Februar fanden noch Kämpfe in der Umgebung von Czarnków statt, doch erreichten die Deutschen damit nicht viel.

Noch am 18. Februar kam es zu intensiven Kämpfen in der Umgebung von Rynarzewo, wo nach einem erbitterten Kampf und auf kosten schwerer Verluste ein deutscher Panzerzug erbeutet wurde.

Die deutsche Offensive an der Nordfront endete letztendlich mit einem Fiasko. Es bestätigte sich noch einmal die Tatsache einer Erstarkung der aufständischen Abteilungen, wobei anstelle des spontanen Enthusiasmus (manchmal) ein bewusstes Heldentum trat. Es kamen nun Erfahrung und Front-Routine der Soldaten zum Vorschein, die in Verbindung mit dem Bewusstsein der Wichtigkeit des Kampfes der polnischen Seite eine moralische und faktische Überlegenheit über den Gegner verliehen. Im Endeffekt wurde die wichtigste Front des großpolnischen Aufstandes verteidigt und es traten dort bis zum Abschluss des Waffenstillstandes in Trier keine beachtlichen Veränderungen mehr ein.