Aufständische Truppen

Deutsche Luftangriffe auf Ławica am 7. und 8. Januar 1919 in den Berichten der Posener Presse.

Am 6. Januar 1919 wurde die Flugstation Ławica (Lawitz-Posen) nach einem kurzen Kampf durch die Aufständischen besetzt. Auf dem eroberten Flughafen nahmen die Polen „mehr als 200 Männer und einige Offiziere gefangen”1. Diese zahlreiche und gemischte Besatzung (es befanden sich hier Soldaten unterschiedlicher Arten von Streitkräften: Pioniere, Grenadier, Artilleristen und Flieger) stellte eine Gefahr für Posen dar. Die Drohungen der deutschen Flieger, die Stadt zu bombardieren, wurden somit sehr ernst genommen. Diese Besatzung wurde, wie aus dem Inhalt des in der Posener Presse publizierten Briefes, der aus den schon eroberten Kasernen stammt, hervorgeht, mithilfe einer „Luftbrücke“ von Frankfurt/Oder versorgt, von wo aus mit den Flugzeugen „größerer Bauart“ „Lebensmittel, Munition und militärische Anweisungen“2 geliefert wurden. Gerade das führte zur Entscheidung über den Sturm.

Die Flugstation wurde nach einem kurzen, knapp 20 Minuten dauernden Kampf erobert3. Die menschlichen Verluste auf beiden Seiten waren verhältnismäßig gering und wurden auf 2 Gefallene4 und 3 Verletzte auf polnischer Seite und einen Gefallenen (Offizier) und ein paar Verletzte auf deutscher Seite5 geschätzt.

Nach den beendeten Kämpfen befanden sich in den Händen der Aufständischen „(…) Fliegerschuppen mit Flugapparaten (30 Stück), Munitions- und Bombenlager, Benzinlager, Automobile, eine Kleinbahn und große Reparaturwerkstätten”6. Der Wert des übernommenen Materials wurde auf 160 Millionen Mark geschätzt7!

Schnell fing man auch mit der Bewirtschaftung des eingenommenen Flughafens an. Im Befehl des Oberkommandos Nr. 2 lesen wir: „Die Flugstation in Ławica unterliegt in taktischer Hinsicht unmittelbar dem Oberkommando8”. Und im nächsten Befehl wird befohlen: „Alle Abteilungen sollten die bei ihnen dienenden Flieger zur Flugstation in Ławica bei Posen (zur Legitimierung) schicken9”. Mit der Zeit fing man an, über Anzeigen in der Presse zum Eintreten in die Reihen der Flieger zu agitieren10.

Schon am nächsten Tag – am 7. Januar 1919 – am frühen Nachmittag erschienen über Ławica deutsche Maschinen, die mit der Bombardierung anfingen. Diesen beispiellosen Vorfall registrierten alle Posener Zeitungen, aber wie es scheint mit großen Abweichungen.

Der Luftangriff wurde am nächsten11, am Nachmittag12, um 12:4513, oder um 13:0014, Uhr durchgeführt, wobei über Ławica 4 Flugzeuge erschienen, die 6 Bomben15, herabwarfen, oder eventuell genauso viele Maschinen, aber es wurden 1816, Bomben eingesetzt, oder es war nur ein Flieger mit einer Bombe17. Am sparsamsten sind die Zahlenangaben im „Przewodnik Katolicki” (Katholisches Vedemecum), welches trotz der Publikation des Textes etwa zwei Wochen nach diesen Ereignissen nur die „deutschen Flieger, die die Flugstation mit Bomben bewarfen18 erwähnte”. Trotz des Überraschungseffektes waren die Verluste verhältnismäßig gering, weil nämlich eine der Bomben die Baracke in Brand setzte, in der sich eine Küche befand. Die restlichen Bomben fielen zwar im Bereich der Gebäude nieder, haben aber keinen Schaden angerichtet. (...) Es gab keine menschlichen Opfer.” – so berichtete „Kurier Poznański” („Posener Kurier“)19. Und „Dziennik Poznański” („Posener Tageszeitung“) erwähnt wiederum zwei abgebrannte Baracken20 und „Postęp” („Fortschritt“) nur eine 21. Im „Wielkopolanin” („Großpole“) wurde angegeben, dass „einige unserer Leute verletzt wurden und ein Brand in einem Teil der Baracken ausgebrochen ist22”. Den Brand löschte die aus Posen angekommene Feuerwehr 23.

Ein Zeuge der Luftangriffe war einer der aus Warschau angereisten Offiziere, der den Tarnnamen Adlot führte: „Plötzlich um 12 Uhr mittags haben wir vereinzelte Gewehrschüsse vernommen, und später ein Rauschen der Motoren. Es waren mehr als Dutzend Flugmaschinen, die angeflogen kamen, um die Station zu bombardieren. Wer noch lebte griff zur Waffe und bemühte sich, mit Gewehrfeuer die Deutschen abzuschrecken. Nach einer Weile hörte man aus dem Turm das Knattern eines Maschinengewehrs. In Kürze hörten wir dann den Knall der explodierenden Bomben, welche die deutschen Flieger auf die Flugzeughallen, Büros, Lager usw. abwarfen. Nach einem halbstündigen Bombardieren sind die Deutschen fortgeflogen, und kehrten nicht wieder zurück. Wir sind dann sofort losgezogen, um die angerichteten Verluste zu begutachten. Zum Glück gab es keine größeren Schäden”24.

Der Luftangriff überraschte die Besatzung von Ławica, die trotz der unternommenen Verteidigungsversuche nicht in der Lage war, ihn zu verhindern. Zum Glück fielen ihm keine Menschenleben zum Opfer. Der deutsche Angriff wurde jedoch auch zu einer wertvollen Lektion, aus der man sehr schnell Schlussfolgerungen zog. Die deutschen Flugzeuge erschienen nämlich am nächsten Tag, am 8. Januar 1919 um 11:0025 oder 12:0026 Uhr, erneut über Ławica. Die Uhrzeit des Angriffs gibt „Przewodnik Katolicki” nicht an. Es waren drei deutsche Flugzeuge27. Weder „Dziennik Poznański”, noch „Wielkopolanin” noch traditionell „Przewodnik Katolicki” geben auch nur eine annäherungsweise Zahl an. Die zur Verteidigung mit dem Sperrfeuer aus Maschinengewehren vorbereitete Besatzung durchkreuzte die Absichten der deutschen Flieger, die dann mehr als Dutzend Bomben in einem breiteren Umkreis abwarfen28. Nach etwa 20 Minuten flogen die über Ławica kreisenden Flugzeuge weg, nachdem sie eine „geradezu verbrecherische Tat begangen haben”29: Weitere Bomben fielen auf die Gebäude des landwirtschaftlichen Betriebes von Władysław Zoch, in Strzeszynek (2 Kilometer von der Flugstation Ławica entfernt) und auf das Dorf Krzyżowniki nieder. Im landwirtschaftlichen Betrieb Zochów wurden das Haus und der Kuhstall beschädigt, und die Splitter dieser Bombe töteten den (10 Jahre alten) Sohn30 der Familie Zoch, verletzten den Herrn Zoch selbst und einen weiteren seiner Söhne31. Interessanterweise berichten „Kurier Poznański” und „Postęp” von einer verletzten Tochter (nicht Sohn!). Infolge der Explosion der Bombe in Krzyżowniki wurde der Landwirt Pawlak schwer verletzt32. Władysław Zoch starb am 9. Januar 1919 an den erlittenen Verletzungen33. Ein weiterer verletzter Landwirt, Herr Pawlak aus Krzyżowniki wurde in die Elisabethinnen-Einrichtung [in der Łąkowa-Straße] gebracht, und sein Zustand war „hoffnungslos34”.

Allerdings geht aus einer anderen Pressenotiz im „Wielkopolanin” hervor, dass der Landwirt Mateusz Pawlak am 11. Januar 1919 im Alter von 29 Jahren starb35.

Infolge der deutschen Bombardierung am 8. Januar 1919 starben drei Personen: Witold Zach, 15 Jahre alt († 8. Januar 1919), Władysław Zoch, 58 Jahre alt († 9. Januar 1919) und Mateusz Pawlak, 29 Jahre alt († 11. Januar 1919), und es wurde die Tochter oder der Sohn von Władysław Zoch verletzt (man weiß nicht wie schwer).

Die obige Feststellung ist insofern wichtig, als man bisher in der Literatur geteilter Ansicht war, was die Zahl der Opfer des Luftangriffes vom 8. Januar betrifft. Ausgehend von den Informationen die in der damaligen Presse angegeben wurden (Dziennik Poznański Nr. 6 vom 9. Januar 1919) gab Zygmunt Buczacki an, dass eine Person starb und drei weitere verletzt wurden36. Der Autor vertiefte sich jedoch nicht in die Lektüre der weiteren Ausgaben, so dass er bei diesen Zahlen stehen blieb. Über ein paar getötete Frauen und Kinder (sic!) schrieb Kazimierz Sławiński37. Sicherlich wiederholt Krzysztof Hoff in seinem im Jahr 2005 herausgegebenen Buch „Skrzydła niepodległej. O wielkopolskim lotnictwie w okresie Drugiej Rzeczypospolitej”38 („Die Flügel des unabhängigen Polens. Über die großpolnischen Luftstreitkräfte in der Zweiten Rzeczpospolita”) die Informationen über einen Getöteten und drei Verletzte, indem er dabei die Angaben von Z. Bulzacki übernimmt. Einen Getöteten und drei Verletzte erwähnt auch Radosław Nawrot im Artikel „Pierwszy nalot Polaków” („Der erste Luftangriff der Polen”)39. Er verortet jedoch die vier besagten Personen des Luftangriffs falsch als Opfer des Luftangriffs auf Ławica am 7. Januar 1919.

Nun bleibt noch eine Frage übrig, die sich vermutlich nicht mehr klären lässt – wo man nämlich die erwähnten drei Personen bestattet hat. Wir wissen nur, dass das Begräbnis von Witold und Władysław Zoch am 12. Januar 191940 um 14:0041, Uhr, vom hl. Josef-Begräbnisinstitut aus, in der Straße Piotra (heutige Krysiewicza-Straße) stattfand. Der Ort des Begräbnisses wurde jedoch nicht angegeben. Es ließ sich auch weder das Datum noch der Ort des Begräbnisses von Mateusz Pawlak feststellen.

Als Vergeltung für das Herabwerfen der Bomben haben die polnischen Obrigkeiten den bereits am 28. Dezember 1918 verhafteten General von Bock und Polach als Geisel genommen, worüber Kurier Poznański vom 9. Januar 1919 informierte42. Das sollte weitere deutsche Luftangriffe verhindern und die Deutschen dazu zwingen, die von ihnen internierten Polen freizulassen. Natürlich verlangten die Deutschen eine sofortige Freilassung des Generals43.

In der Nummer 9 von „Wielkopolanin“ vom 12. Januar wurde der Inhalt des Telegramms veröffentlicht, welches General von Bock und Polach dem deutschen Kriegsminister schickte, in welchem er das Bombardieren von Posen und Ławica als „sinnlos und verbrecherisch“ bezeichnet44. Er drohte auch mit seinem Rücktritt, falls sich solche Angriffe wiederholen sollten45. Das musste eine gewisse Wirkung gehabt haben, weil man nämlich keine weiteren Luftangriffe auf Posen mehr registriert hat. Ob dazu gleichermaßen auch der Vergeltungs-Luftangriff beitrug, den die polnischen Piloten auf den Flughafen in Frankfurt/Oder am 9. Januar 1919 ausgeführt hatten? Diese sehr populäre Episode – die erste solche Handlung in der Geschichte der polnischen Luftstreitkräfte, hinterfragt Pfr. Kulczyński. Nach seinen Angaben fand dieser Luftangriff überhaupt nicht statt, und die erste Erwähnung dieses Themas erschien erst im Jahr 1975 im Buch von Kazimierz Sławiński „Ławica poznańskie lotnisko”46 („Posener Flughafen Ławica“).

 

1 Kurier Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1

2 Kurier Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1; Dziennik Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1

3 Vgl.

4 Einer von ihnen war Feliks Łukaszewicz (vgl. LSPW (Liste der Verluste der Großpolnischen Armee) Pos. 1060).

5 Vgl. Kurier Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1; Dziennik Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1; Im Falle des Berichts im DP erscheint die Information über weitere infolge der Kämpfe getöteten Soldaten. In der Tageszeitung Postęp Nr. 5 vom 8. Januar 1919, wird die Zahl der verletzten Deutschen auf drei präzisiert (S. 3).

6 Kurier Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1

7 Dziennik Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1; Postęp Nr. 5 vom 8. Januar 1919

8 Befehl des Oberkommandos Nr. 2 vom 7 Januar 1919

9 Befehl des Oberkommandos Nr. 3 vom 8 Januar 1919

10 Vgl. Kurier Poznański Nr. 9 vom 12. Januar 1919., S. 2

11 Przewodnik Katolicki, Nr. 3 vom 19. Januar 1919, S. 23

12 Wielkopolanin, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.2; Postęp Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.3

13 Kurier Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1

14 Dziennik Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1

15 Postęp Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.3; Dziennik Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1

16 Kurier Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1

17 Wielkopolanin, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.2

18 Przewodnik Katolicki, Nr. 3 vom 19. Januar 1919, S. 23

19 Kurier Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1

20 Dziennik Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1

21 Postęp Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.3

22 Wielkopolanin, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.2. Wir möchten daran erinnern, dass es infolge einer einzigen Bombe, die durch ein einzelnes Flugzeug abgeworfen wurde, geschah

23 Kurier Poznański, Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.1; Postęp Nr. 5 vom 8. Januar 1919, S.3

 

24 Adlot, Z minionych dni, [w:] Polska Flota Napowietrzna (Aus vergangenen Tagen, [in:] Deutsche Luftflotte), Nr. 2 vom 15. August 1919, S. 58.

25 Dziennik Poznański, Nr. 6 vom 9 Januar 1919, S. 3; Wielkopolanin, Nr. 7 vom 10 Januar 1919, S. 1

26 Kurier Poznański, Nr. 6 vom 9 Januar 1919, S. 3; Postęp Nr. 7 vom 10 Januar 1919, S. 1

27 Kurier Poznański, Nr. 6 vom 9 Januar 1919, S. 3; Postęp Nr. 7 vom 10 Januar 1919, S. 1

28 Kurier Poznański, Nr. 6 vom 9 Januar 1919, S. 3; Postęp Nr. 7 vom 10 Januar 1919, S. 1

29 Przewodnik Katolicki, nr 3 z 19 stycznia 1919 r., s. 23.

30 Dziennik Poznański, Nr. 6 vom 9 Januar 1919, S. 3; Kurier Poznański, Nr. 6 vom 9 Januar 1919, S. 3; Postęp Nr. 7 vom 10 Januar 1919, S. 1; Wielkopolanin, Nr. 7 vom 10 Januar 1919, S. 1 (hier wurde das Alter 11 Jahre angegeben)

31 Wielkopolanin, Nr. 7 vom 10 Januar 1919, S. 1; Dziennik Poznański, Nr. 6 vom 9 Januar 1919, S. 3

32 Kurier Poznański, Nr. 6 vom 9 Januar 1919, S. 3; Postęp Nr. 10 vom 14 Januar 1919, S. 3.

33 Vgl. Nachruf im Dziennik Poznański Nr. 7 vom 10 Januar 1919, S. 5;

34 Dziennik Poznański Nr. 7 vom 10 Januar 1919, S. 2; Postęp Nr. 8 vom 11 Januar 1919, S. 2;

35 Wielkopolanin, Nr. 14 vom 18 Januar 1919, S. 3;

36 Zygmunt Bulzacki

37 Kazimierz Sławiński, Ławica poznańskie lotnisko (Posener Flughafen Ławica), Warschau 1975, S. 38.

38 Krzysztof Hoff, Skrzydła niepodległej. O wielkopolskim lotnictwie w okresie Drugiej Rzeczypospolitej (Die Flügel des Unabhängigen Polens. Über die großpolnischen Luftstreitkräfte zur Zeit der Zweiten Rzeczpospolita), Posen 2005, S. 14.

39 Radosław Nawrot, Pierwszy nalot Polaków [w:] ale historia (Erster Luftangriff der Polen [in:] was für eine Geschichte), Nr. 6(56) vom 11. Februar 2013, S. 7.

40 Dziennik Poznański Nr. 7 vom 10. Januar 1919, S. 5.

41 Dziennik Poznański Nr. 8 vom 11. Januar 1919, S. 3;

42 Kurier Poznański, Nr. 6 vom 9. Januar 1919, S. 3;

43 Wielkopolanin, Nr. 7 vom 10. Januar 1919, S. 2;

44 Wielkopolanin, Nr. 9 vom 12. Januar 1919, S. 2;

45 Wielkopolanin, Nr. 9 vom 12. Januar 1919, S. 2;

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